Das Gold von Sparta
nicht endlich verraten, weshalb wir in Marseille sind?«
Nachdem sie Cholkow und seinen schnauzbärtigen Partner am Rand der Schlucht zurückgelassen hatten, waren sie mit dem Lancia schnellstens nach Nisporto gefahren. Umberto, den Unterarm mit seinem Hemd umwickelt, hatte per Satellitentelefon seinen Vetter auf ihre Ankunft vorbereitet.
Nisporto, ein Küstendorf mit wenigen hundert Einwohnern, lag im Winkel einer V-förmigen Bucht, fünfzehn Kilometer von Portoferraio entfernt. Als sie dort eintrafen, warteten Umbertos Frau, Teresa, und seine Vettern – alle fünf – bereits an der Hintertür. Während sich Teresa um Umbertos Verletzung kümmerte, bei der zum Glück weder Arterien noch Knochen in Mitleidenschaft gezogen worden waren, schafften die Vettern den mittlerweile wieder aufgewachten Bianco in die Garage. Die Hausherrin, Umbertos Tante Brunela, komplimentierte Sam und Remi ins Haus und geradewegs an den Küchentisch, wo sie ihnen sofort eine Mahlzeit aus hausgemachter Pasta mit Zwiebeln, Oliven und einer scharfen roten Sauce vorsetzte. Nach einer halben Stunde erschien Umberto wieder, diesmal mit einem fachgerechten Verband um den Arm.
»Wir haben Sie in einige Gefahr gebracht«, stellte Sam fest.
»Unsinn. Sie haben mir geholfen, meine Ehre zurückzugewinnen. Ich glaube, mein Vater wäre stolz auf mich gewesen.«
»Das wäre er ganz gewiss«, sagte Remi, beugte sich vor und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Vielen Dank.«
Sam fragte: »Dürfen wir erfahren, was Sie mit Bianco tun werden?«
»Hier und auf Korsika ist er so gut wie unantastbar. Auf dem Festland hingegen …« Umberto zuckte die Achseln. »Ich werde ein wenig telefonieren. Ich glaube, mit den richtigen Beweisen, ob echt oder fingiert, werden sich die Carabinieri freuen, ihn zu verhaften. Was den anderen betrifft, seinen Partner … der ist ein Feigling. Uns wird schon nichts passieren, Freunde. Jetzt sollten Sie aber lieber Ihre Mahlzeit beenden, damit wir Sie von der Insel wegbringen können.«
Auf Grund von Bondaruks Einfluss und Cholkows Gründlichkeit wäre eine Rückkehr zum Flugplatz in Marina di Campo zu riskant gewesen. Daher hatten sie Umbertos Vetter Ermete, der ein Boot besaß und Angelausflüge für Touristen arrangierte, gebeten, sie nach Piombino auf das italienische Festland zurückzubringen. Von dort aus waren sie nach Florenz gefahren, hatten sich im Palazzo Magnani Feroni ein Zimmer genommen und Selma angerufen. Diese hatte sie gebeten, ihr umgehend per E-Mail die fotografierten Symbole aus Laurents Codebuch zu schicken, und ihnen dann geraten, sofort nach Marseille weiterzureisen. Am nächsten Morgen schickten sie das Buch eigenhändig per Overnight Express nach San Diego und machten sich auf den Weg zum Flughafen.
»Warum so geheimnisvoll?«, wollte Remi jetzt von Selma wissen. Sam setzte sich aufs Bett, und Remi schaltete die Freisprechfunktion ein.
»Da ist nichts Geheimnisvolles«, wehrte Selma ab. »Ich habe ein paar Details weggelassen, aber ich wusste, dass Sie so oder so nach Marseille wollten. Übrigens arbeiten Pete und Wendy bereits an den Symbolen. Das Ganze ist äußerst faszinierend, aber der Zustand des Buches wirft einige Fragen …«
Sam unterbrach sie: »Selma!«
»Oh, Verzeihung. Erinnern Sie sich noch an Wolfgang Müller, den Kapitän des UM-77! Ich habe ihn gefunden.«
»Wie bitte? Sie meinen …«
»Ja, er lebt noch. Es hat mich einige Mühe gekostet, aber am Ende stellte sich heraus, dass er sich an Bord der Lothringen befunden hatte, als sie gekapert wurde. Nach dem Krieg wurde er über Marseille nach Deutschland zurücktransportiert. Er verließ zwar das Schiff, ist aber nicht in den Zug nach Hause eingestiegen. Heute wohnt er bei seiner Enkeltochter. Ich habe ihre Adresse …«
Am nächsten Morgen suchten sie ein Café auf, das Le Capri. Es lag ein paar Blocks entfernt an der Rue Bailli de Suffren und bot einen ausgiebigen Blick auf den Vieux Port, den Alten Hafen, wie er auch genannt wurde, der von Segelbooten jeden Typs und jeder Größe, deren Segel in der ablandigen Brise flatterten, dicht besetzt war. Die Strahlen der hellen Morgensonne wurden vom Wasser reflektiert. In Höhe der Hafeneinfahrt ragten am nördlichen und am südlichen Ufer die Festungen Saint Jean und Saint Nicholas auf. Über ihnen standen auf den Berghängen die Abbaye de Saint Victor und die Kirchen Saint Vincent und Saint Catherine. Weiter draußen auf dem Meer, in der Bucht von Marseille, lagen die
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