Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
sage ich.« Und er
denkt: Deswegen komme ich noch immer nicht durch meine Röhre.
»Ach, da ist sie ja, unsere
Kleine.« Frau Radke rutscht von ihrem Hocker und begrüßt ihre Tochter mit
Überschwang.
»Gratuliere«, sagt der Greifer
lahm.
»Danke für die Blumen.« Die
neue Aphrodite schaut verdrossen in die Gegend. Sie flezt sich an den Tresen
und mault: »Darf ich ‘n Jungfernkuß, Mamusch?«
Ein Jungfernkuß besteht aus 1
gequirlten Banane, dem Saft von Zitrone, 1 EL Zucker, ¼ l Magermilch. Ein
Jungfernkuß ist ein Genuß mit Reue. Weil er zuviel Kalorien hat. Und genau das
sagt Mamusch auch.
»Ich will aber ‘n Jungfernkuß.«
In Erikas himmelblaue Augen treten Tränen. Die kleinen weißen Perlzähne bohren
sich in die Unterlippe. Erika hat etwas, was sie vorher nie gehabt hat: Nerven.
Vierzehn fehlende Pfunde scheinen sie entblößt zu haben, die Nerven.
»Was machen die Möpse, Fräulein
Erika?« fragt der Greifer, der keine Tränen mag.
»Was sollen sie machen. Mopsen
tun sie sich. Außerdem haben sie Sehnsucht nach ihrem Herrchen. Das ist ein
Geheule.«
»Apropos Herrchen. Hat man denn
schon eine Nachricht, ich meine, von Mr. Stutterbold?«
»Nichts, gar nichts hat man.
Das ist es ja eben. Er ist wie vom Erdboden verschwunden.«
»Wird schon wieder auftauchen.
Unser nächster Hafen ist Tanger. Kein Mensch verschwindet spurlos.«
»Na, ich weiß nicht...« Erika
nimmt sich eine Möhre und kaut nachdenklich daran herum. Sie legt sie wieder
hin und fragt aggressiv: »Krieg ich nun den Jungfernkuß, oder krieg ich ihn
nicht Mamusch?!«
»Du lieber Gott, Kindchen,
natürlich kriegst du ihn, ich bin ja gar nicht so, warst ja auch sehr brav.«
Die Radken ist aufgeregt wie eine Glucke. Was ist bloß mit dem Mädchen los, da
möchte man ja, daß sie auf der Stelle wieder dick wird, so dick und lustig, wie
sie mal war, aber allein der Gedanke daran wäre eine Todsünde.
»Na also«, sagt Erika, nimmt
sich einen Strohhalm und taucht ihn in das Glas. Die Radken beobachtet sie
einen Moment, wendet sich dann dem Greifer zu und fängt an zu flüstern. Der
Greifer runzelt nachdenklich die Stirn, er hebt erstaunt die Augenbrauen, er schüttelt
mit dem Kopf, er sagt: »Also Ihr Fräulein Tochter wird das alles mal
erben...«
»Und mir hat man erzählt...«
»Ja, das wird sie.«
»Was hat man Ihnen erzählt?«
»Ach nichts, gar nichts.« Der
Greifer stiert in seine Milli. So etwas muß mir passieren, ausgerechnet mir!
Was bin ich doch für ein sagenhaftes Rindviech. Orchideen verschenkt,
bleischwere Taschen geschleppt, auf Vulkane gelatscht, und gesülzt und
geraspelt und mich zum Hanswurst gemacht. Wofür? Für nichts und wieder nichts.
Ich habe auf den falschen Gaul gesetzt.
»Ich dir Tanger zeigen,
Sultanspalast mit die Frauenstall?!«, aber Trixi wird ohnmächtig...
»Ich dir
Tanger zeigen,
Sultanspalast
mit die Frauenstall?!«
Aber Trixie
wird ohnmächtig…
»Es ist der Schergi«, sagt
Kerstin Nielsen und benutzt ihren Reiseführer als Fächer, »ein rischtiger
swerer Schergi. Ich kenne ihm.«
»Natürlich«, sagt Trixi, atmet
tief, pustet, kramt in ihrer Handtasche nach dem Eau de Cologne, »natürlich ist
es der Schergi.« Sie betupft zum x-ten Mal Ohr, Hals, Nacken, Handflächen mit
dem Wasser aus Köln, fragt dann: »Und was, bitte schön, ist Schergi?«
»Letztes Mal, als wir in Tanger
weilten, da hatten wir ihm auch, den Schergi.« Kerstin fächelt mit ihrem
Reiseführer herum und klagt: »Isch finde, es ist genug, wenn man dicklich ist,
puuuuhhh!«
»Trotzdem würde ich gern
wissen...«
»Nur, daß er damals nischt so
swer war wie heute, der Schergi, weißt du.«
»Ich weiß. Aber wenn du mir
jetzt, bitte, sagen würdest...« Trixi trommelt nervös mit den Fingern beider Hände
auf dem Holzbelag der Reling herum.
»Ach, guck, du verspürst ihm
auch schon, der Schergi.« Kerstin beobachtet interessiert Trixis Finger, die
immer wieder trommeln und trommeln. »So fängt es immer an am Beginn.«
»Was beginnt so am Anfang, ich
meine, was fängt an am...« Sie ist jetzt richtig ärgerlich, fixiert die
Freundin von der Seite her und wundert sich, warum sie Kerstin jemals nett
finden konnte.
»Nun, die Wirkung. Die von dem
Schergi, meine ich.«
Wenn sie jetzt noch ein
einziges Mal »Schergi« sagt, schmeiß ich sie über Bord, denkt Trixi und schaut
unwillkürlich über die Reling.
Kerstin aber sagt es nicht
mehr, sondern meint schlicht: »Es ist nämlisch ein Wind.«
Und das
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