Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
nicht
übertreiben, Ekalein, das mit dem Abnehmen, meine ich. Manchmal packts einen
nämlich an den falschen Stellen. Ich hatte eine Freundin in Stuttgart, die
hatte nach so einer Schlankheitskur plötzlich keinen Busen mehr.«
Erika reckt sich unwillkürlich,
wirft einen raschen Blick abwärts und stellt fest, daß ihr in dieser Hinsicht
keine Gefahr droht. Sie legt ihre Hände unter den BH und meint nachlässig:
»Ach, übrigens, ich nähere mich langsam dem Idealmaß. 90 — 60 — 90, wie findest
du das?«
(»Euer beschissenes Idealmaß,
weißt du überhaupt, was das für dich bedeutet, genau 40 Pfund müßtest du
schmeißen, 40 Pfund minus, Splitter wird man sich bei dir einreißen,
Knochengestell!«)
Trixi muß an die Worte denken,
die ihr René an den Kopf gefeuert hatte, gräßliche Worte, häßliche Worte, aber
momentan konnte man sie prima gebrauchen. »Idealmaß, weißt du eigentlich, wer
das hat? Die Mannequins von Dior und von Balenciaga und von Courrèges, die
haben das, und rein zum Fürchten sehen sie aus. Klapperdürr, storchenbeinig,
ausgemergelt, Plättbretter mit zwei Rosinen, richtige Kleiderständer, und so
anämisch, daß man ständig die Rettungsstelle alarmieren möchte, wegen ‘ner
Blutübertragung. Nee, dafür bedanke ich mich.«
Vor Erikas innerem Auge
erscheint ein Geschöpf mit eckigen Schultern, tiefen Salznäpfchen, faltigem
Hals, dunklen Augenringen, eingefallenen Wangen, dürrem Bein auf Klappersohle,
eine wahre Tochter Draculas, und sie erschrickt sichtlich. »Sag mal, Trixi«,
startet sie ein Ablenkungsmanöver, »wie kam das eigentlich, daß du plötzlich
wieder so zugenommen hast? Ist doch komisch, oder?«
»Wenn du Sabotage komisch
findest, dann ist es komisch.«
»Wie soll ich das denn
verstehen?«
»Wenn du es nicht verstehst,
vielleicht versteht es deine Mutter.« Sie denkt an Radix gentiana, an Rhizoma
calami, an die weißen Mäuse des Schiffsdoktors und wird wütend. »Du kannst ihr
übrigens bestellen...«
Erika erfährt nicht mehr, was
sie ihrer Mutter bestellen soll. Mrs. Brown hat die Nase in die Luft gereckt
und stößt ein durchdringendes Geheul aus. Mr. Miller schließt sich, eine Oktave
tiefer, an. Es klingt ganz grausig und würde selbst eine Schiffssirene zum
Schweigen bringen.
Erika schaut die Möpse an,
blickt ratlos in die Runde, und dann heult sie plötzlich auch auf.
»Stutterbold, Mr. Stutterbold, da unten auf dem Kai, da unten steht er. Er ist
wieder da. Mensch, freu ich mich!« Sie wedelt mit den Armen in der Luft herum,
um sich bemerkbar zu machen, legt die Hände trichterartig vor den Mund, brüllt
Mi — ster Stut — ter — bold, haaaa — looo!«
Himmel, die freuen sich aber,
denkt Trixi und schaut erstaunt auf die Kusine und Möpse. Tatsächlich, da unten
steht er, ein bißchen blaß um die Nase herum, das kann man selbst von hier oben
aus sehen, aber sonst scheint ihm nichts zu fehlen. Westentaschen-Casanova,
dringt mir nichts dir nichts in die Kabine einer unbescholtenen Passagierin ein
und macht Anträge! Trunkenbold, verführt den 1. Offizier eines Luxusschiffes
zum Saufen und macht ihn halb dienstunfähig! Ami, Moneymaker, Dollarjäger,
schimpft Trixi inwendig und beschließt, auch James P. Stutterbold nicht mehr
leiden zu können, war ohnehin alles ein Aufwaschen, und diese Moppel mit ihrem
Begrüßungsgeheul gingen einem vollends auf die Nerven.
»Na denn«, sagt Trixi, nimmt
ihre Umhängetasche und läßt Erika mit ihrer Stutterbold-Begeisterung allein,
»na denn viel Spaß, Miß Aphrodite, und sieh dich vor in Tanger, die arabische
Küche soll ja so dick machen.
Sie steigt die 65 Stufen des
inzwischen ausgefahrenen Fallreeps hinunter, geht über den Kai, wirft einen
verächtlichen Blick auf die beiden bereitstehenden Sonderbusse (»Rundfahrt Kap
Spartel Herkuleshöhlen«— »Stadtbesichtigung— Kap Malabatu«) und klettert in ein
uraltes Taxi.
Es ist Donnerstag, und an jedem
Donnerstag ist auf dem Gran Zocco in Tanger großer Markt. Der Lärm ist tosend,
die Sonne erbarmungslos und die Gerüche von orientalischer Vielfalt. Die
Händler sitzen auf dem schmutzigen Lehmboden, fest eingehüllt in ihre
Djellabas, deren Kapuzen trotz der Hitze hochgeschlagen sind. Sie preisen ihre
Waren an, singen mit hoher Fistelstimme, stoßen grelle Schreie aus, um sofort
wieder in starres Schweigen zu fallen. An ihren Ständen Wassermelonen, grüne
Feigen, zu Pyramiden aufgeschichtete Datteln, Ketten getrockneter Aprikosen,
Mandeln,
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