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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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unser
Künstler. Was haben Sie denn in dem Laden da gemacht, eine neue Brille
gekauft?« Hügelis kollerndes Lachen hüllt den Greifer ein, schützend,
beruhigend. Er blickt auf und sieht, daß der Freund nicht allein ist. René
Cantal steht neben ihm.
    »Kleine Sightseeing-Tour,
Monsieur Cantal? Und ich dachte, Sie kennen diesen Backofen schon«, sagt der
Greifer lahm.
    »Haben Sie Fräulein Sommer
gesehen?« Monsieur Cantal scheint keine Zeit zu haben für Scherze. Sein Blick
ist drängend, fordernd.
    »Nein, warum?«
    »Weil sie zum Abendessen hätte
an Bord sein müssen. Jedenfalls ist sie seit zwölf Stunden verschwunden. Ohne
jede Spur.«
    »Na ja, ein junges Blut. Und
Tanger ist ja gar nicht so ohne.«
    »Stimmt, und deswegen suche ich
sie. Sie haben also keine Ahnung, wo sie stecken könnte?«
    »Nein, das heißt, Moment mal.
Sie hat sich ein Taxi genommen, als wir von Bord gingen. Jedenfalls hörte ich
sie nach einem Taxi rufen.«
    »Und wohin ist sie gefahren?«
    Der Greifer zuckt mit den
Achseln.
    Hügeli wischt sich nachdenklich
über die Spiegelglatze. »Keine Ahnung, ich weiß nur, daß sie immer von der
Altstadt geschwärmt hat, Medina, Kasbah, Große Moschee und so, das wollte sie
unbedingt sehen.«
    »Danke.« Cantals Hand fährt
gegen den Mützenrand. Er dreht sich auf dem Absatz um und steigt in den mit
laufendem Motor wartenden Mietwagen. »Los ab, zur Altstadt«, sagt er zu dem
Fahrer. Sie jagen den Boulevard Pasteur hinauf, biegen rechts ein in die Rue de
la Liberté, an der Porte de la Kasbah läßt Cantal halten. Er passiert die
meterdicken Gewölbe, überquert die Place Tabor mit den uralten Kanonen, die wie
Spielzeuge aussehen, folgt der langen Mauer am Rande des Steilfelsens. Er
verschwindet in einem baufälligen Haus.
    »Ben Arafa?« Seine Augen
gewöhnen sich nur langsam an das diffuse Licht des langgestreckten Raumes.
Teppiche bedecken die Wände, liegen stapelweise auf dem Boden, sind zu Rollen
an der Längsseite aufgeschichtet. Es riecht nach Staub, Hammeltalg, nach Anis und
türkischem Kaffee. »Ben Arafa?«
    »As salãm alēkum! Heil über
dich!« Der Mann, der im Hintergrund auf einem Diwan hockt, trägt einen
schneeweißen Burnus. Er senkt das Mundstück seiner Wasserpfeife und macht eine
einladende Geste.
    »Misā el-chēr— guten Abend.«
Cantal setzt sich auf eines der weichen Lederkissen. Er nimmt das zweite
Mundstück der Nargi-leh und zieht den durch das Wasser gekühlten Rauch tief in
die Lungen.
    »Du warst im Monat des Ramadan
hier«, eröffnet der Alte das Gespräch.
    »Du weißt alles. Wie immer.«
Cantal seufzt ergeben. Sie hatten im vergangenen Jahr Tanger angelaufen, und er
hatte aus Zeitmangel Ben Arafa nicht besucht. Zum erstenmal in all den Jahren.
Er hätte nie geglaubt, daß der Alte das erfahren würde. Ben Arafa aber erfuhr
alles, er schien tausend Augen zu haben, tausend Ohren. Kein Spatz fiel zu
Boden zwischen dem Kasbah-Tor und dem Gran Zocco, ohne daß es ihm jemand
zutrug.
    »Wie geht es deinem Schiff?«
Wenn Arafa von der »Aphrodite« sprach, so war es, als spräche er von einer
schönen Frau. Cantal, diesen Seemann aus Leidenschaft, hatte das immer sehr
berührt. Diesmal aber hört er kaum hin. Seine Fragen brennen ihm auf den
Lippen, und er weiß gleichzeitig, daß er keinen größeren Fehler begehen kann,
als den Alten zu drängen. Der Teppichhändler Ben Arafa hat die Worte »Zeit« und
»Eile« nicht auf Lager.
    Sie plaudern über die Hitze,
die in diesem Jahr besonders unerträglich war, über die Geschäfte, die schlecht
gehen, über Tanger, das nicht mehr das alte Tanger ist, über die Preise, die gestiegen
sind, über die Gesundheit, die zu wünschen übrig läßt. René Cantal spürt, wie
seine Nerven zu vibrieren anfangen, er muß sich mit Gewalt beherrschen. Er
bohrt seine Fingernägel in die Handflächen.
    Plötzlich schweigt Ben Arafa.
Er schweigt eine Endlosigkeit. Dann sagt er mit seiner tiefen melodiösen
Stimme: »Stelle nun deine Frage. Wenn Allah will, so werde ich sie dir
beantworten.«
    Cantal schaut ihn verblüfft an,
dann sprudelt es aus ihm heraus. »Ich suche ein Mädchen, Ben Arafa, Beatrix
heißt sie, Beatrix Sommer, sie ist noch sehr jung, hat langes blondes Haar, ein
sehr schönes Mädchen, trägt ein blau-weiß gestreiftes Matrosenkleid, sie ist
auf meinem Schiff, das heißt, sie war es, heute früh ist sie von Bord gegangen,
sie hat sich ein Taxi genommen, und seitdem, seitdem ist sie verschwunden,
niemand hat sie

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