Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
schuld, schuld an
allem.« Während er durch die Gassen der Medina hetzt, ertappt er sich immer
wieder bei Selbstgesprächen. »Brutaler Idiot, der ich war, hab’ sie angebrüllt,
beleidigt, das beste Mädchen der Welt, ich verdiene sie nicht, aber..., aber
warum rennt sie auch alleine los in Tanger, wenn ihr nichts passiert ist,
passiert ihr was. Na warte...«
Noch einmal
Allah il Allah.
Schmecken
Hammelaugen wirklich so gut?
Stille
Betten sind tief.
Der alte Mann singt mit
gebrochener Stimme ein Lied. Es ist ein arabisches Lied. Trixi kann nicht
Arabisch. Sie kann nur »barak — Danke«, »asch-hal — wieviel«
»As salām alēkum— Grüß Gott«.
Und »makasch« natürlich. Das das Lied traurig ist, merkt sie.
»Ach ja«, seufzt sie und ist
auch ein bißchen traurig. Traurig und glücklich zugleich.
»Madame?« Das junge Mädchen,
das Saida heißt, ist sofort bei ihr und beugt sich besorgt über sie. »Vous avez
mal?— Haben Sie Schmerzen?« Saida spricht ein kehliges Französisch. Sie nimmt
das Tuch von dem geschwollenen Knöchel und streicht es frisch ein mit dem
schwärzlichen Zeugs, das Trixi für Kuhmist hält. Jedenfalls riecht es so.
Sie liegt auf der Terrasse
eines kleinen Landhauses. Neben ihr steht ein Messingbecken mit glühender
Holzkohle. Aus dem Inneren des Hauses tönt das Klappern von Geschirr. Zwei
kleine Kinder springen in ihren langen Gewändern herum und bearbeiten ein
Tamburin. Die Dattelpalmen heben sich gegen den Himmel ab wie Scherenschnitte.
Ein fernes Klagen dringt durch die Nacht: Der Muezzin ruft die Gläubigen vom
Minarett der Großen Moschee.
Während Saida den Verband
wechselt, zwitschert sie unaufhörlich. »C’est un malheur, un malheur,
pardonnez-nous, pardonnez..., il n’y a pas de mal, s’il vous plaît.— Was für
ein Unglück, verzeihen Sie uns, und nichts für ungut, bitte.«
Trixi antwortet wohlerzogen:
»Ça ne fait rien, c’est impardonnable. Il ne fait pas mal.— Es hat nichts zu
sagen, es gibt nichts zu entschuldigen. Es tut nicht weh.«
Dabei tut es sehr weh. Sie
spürt, wie der Knöchel immer mehr anschwillt. Wenn René wüßte, daß ich hier
einsam liege und einen kaputten Knöchel habe und daß niemand ahnt, wo ich
stecke und daß ich von allen verlassen bin. Wenn er das wüßte...
Es ist ein Hochgenuß, sich so
was auszumalen. Sie kriegt soviel Mitleid mit sich selbst, daß sie weinen muß.
Sie schnieft, putzt sich die Nase und greift nach ihrem Glas. In dem Glas ist
ein rosafarbener Wein, der lieblich und herb zugleich schmeckt.
Trixi schaut auf ihre
Armbanduhr. Ob man nach ihr sucht? Ob René schon unterwegs ist? Mit einem
Dutzend arabischer Polizisten, mit Fackeln, Spürhunden und Lautsprecherwagen?
»Ach— tung, Ach— tung! Gesucht wird ein junges blondes Mädchen, das zum letzten
Mal gesehen wurde, als es...«
I wo, kein Mensch würde nach
ihr suchen. Und René schon gar nicht. Der ist doch eiskalt, ein Gemüt wie ‘n
Catcher, sitzt jetzt todsicher in der Schiffsbar und trinkt Whisky mit dem
Doktor. Alle gleich, diese Matrosen, einer wie der andere. Wenn er mich hier
findet, so ‘n Knöchel kann ja schließlich eine Blutvergiftung geben, sterben
kann man an so was, na, dann hat er seine Strafe. Erschöpft schlummert sie ein
und fängt sofort zu träumen an. René steht an ihrem Bett..., er küßt sie sanft
und riecht angenehm nach Rasierwasser, noch einen Kuß, bitte, und nicht
aufwachen..., nicht aufwachen, wann träumt man schon mal so was Schönes...
»Du hast immer wieder neue
Einfälle«, sagt René. Er sieht abgehetzt aus, todmüde, sein Gesicht ist mit
Schweiß bedeckt, aber er strahlt. »Wirklich aparte Einfälle hast du. Und
eigentlich..., eigentlich sollte man dich übers nächste Knie legen.«
Spätestens hier merkt Trixi,
daß dieser René eine starke Ähnlichkeit hat mit ihrem René. Wetten, er ist es.
»Liebster«, sagt sie und streckt die Arme aus.
»Liebster, Liebster,
papperlapapp. Was glaubst du, was ich für eine Angst ausgestanden habe.«
»Sag das noch mal, bitte.«
»Man jagt hier durch die Gassen
wie James Bond.«
»Du jagtest durch die Gassen,
wunderbar.«
»Man streitet sich mit
Teppichhändlern herum.«
»Du hast dich herumgestritten,
herrlich.«
»Bringt beinah einen Menschen
um.«
»Du hast jemand umgebracht,
Himmel, ist das alles schön.«
»Und das gnädige Fräulein liegt
hier auf der faulen Haut, trinkt Wein und läßt sich fromme Lieder vorsingen.«
»Was sagst du da?«
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