Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
Vom Netzwerk:
höchstens fünfzehn Meter zu
überwinden. Die Hände flach gegen die Mauer gedrückt, die Füße nach auswärts
gespreizt, begann er, sich Schritt für Schritt vorzuarbeiten.
    Dann stand er auf ihrem Balkon
und schaute in ihr Zimmer. Sie saß an dem kleinen Schreibsekretär und kritzelte
einen Brief. Neben ihr lag ein Kuvert, und er konnte sogar die Anschrift lesen.
    Sie schrieb an ihren Vater.
    Er stieß die Balkontür auf und
sagte: »Bitte ihn gleich um sein Einverständnis. Du bist noch nicht mündig.«
    Sie fuhr herum und starrte ihn
an. In ihren Augen lag namenloser Schrecken.
    »Verzeihung.« Es tat ihm leid,
sie so erschreckt zu haben. »Ich hätte anklopfen sollen.«
    »Wo kommst du her?« Sie hatte
sich wieder gefaßt und starrte ihn an wie einen Einsteigedieb, der er ja
tatsächlich war.
    Er wies mit dem Daumen über die
Schulter. »Über den Korridor wäre es bequemer gewesen.«
    »Raus!« sagte sie. »Ich will
dich nicht sehen.« Ich will ihn aber doch sehen, dachte sie, stundenlang könnte
ich ihm zusehen, wie er da steht, halb schuldbewußt, halb stolz.
    »Florence«, sagte er, »wollen
wir nicht...« Er ging auf sie zu und wollte sie küssen.
    Da fiel ihr die Frau im Taxi
ein. »Knutsch dich mit anderen Weibern ‘rum«, sagte sie heftig. Sie ahmte
Branka nach: »Wir werden uns nicht wiedersehen, Wiedersehen, ach Phil, ach
Phil. Ach pfui Teufel!«
    »Ich werde sie auch nicht
wiedersehen.«
    »Und warum schleckst du sie
dann ab? Vor allen Leuten? Mitten auf der Straße?«
    »Aus Dankbarkeit.«
    »Werde nicht noch
geschmacklos!«
    Er hob seine rechte Hand zum
Schwur und schwor einen jener Meineide, die soviel barmherziger sind als die
sogenannten Wahrheiten. »Ich schwöre dir, daß ich mit ihr nichts gehabt habe.«
    Ihr Gesicht entspannte sich.
»Du könntest noch etwas schwören.«
    »Was?«
    »Daß du dich mit mir verlobst.«
    »Nein, mein Kind, mit dir werde
ich mich nicht verloben.«
    »Dann heirate mich wenigstens.«
    »Darüber ließe sich reden.« Er
nahm sie und legte sie behutsam auf das Himmelbett. Er fand das Himmelbett, die
Spezialität des Hauses, überhaupt nicht mehr lächerlich. Er küßte sie. Sie
küßte ihn. Er küßte sie. Sie küßte ihn. Ein Kuß gab den anderen, und da jeder
den letzten gegeben haben wollte, zog es sich eine Weile hin.
    Als sie bei einer Pause
angelangt waren, sagte sie und starrte mit offenen Augen nach oben: »Damals
hatten wir einen blauen Himmel mit silbernen Sternen und einem Sichelmond.«
    »Und die Säulen, die den Himmel
trugen, waren von purem Gold«, sagte er poetisch und starrte ebenfalls nach
oben.
    »Es war ja auch das Bett der
Pompadour.«
    »Es war unser Bett.«
    »Unser goldenes Bett.«
    Er zog an der dicken Kordel,
die vom Himmel herabhing, und löschte das Licht. Der Wind bauschte die weißen
Vorhänge. Das Rauschen des Meeres war jetzt so stark, daß es den Lärm der Autos
auf der »Promenade« übertönte. Das Licht des Leuchtturmes geisterte in
regelmäßigen Abständen durch den Raum. Damals, dachte er, damals in London war
es die Leuchtreklame gewesen, die alle zwei Minuten über unsere Gesichter
geflackert war. Und das Bett war auch ein Himmelbett. Es ist alles so wie
damals, und es ist doch ganz anders. Damals habe ich mit ihr schlafen wollen
und liebte sie nicht, diesmal liebe ich sie und will nicht unbedingt...
    »Ich friere«, sagte sie
schnurrend, obwohl die Nacht von den Meteorologen einmal zu den wärmsten
Juninächten unserer Jahrhunderthälfte gerechnet werden würde. »Die Pompadour hat
bestimmt nicht gefroren. Mit ihrem Ludwig.«
    »Ich bin nicht Ludwig.«
    Er rückte näher und spürte den
Duft, der von ihr ausging. Warum nimmt sie bloß immer noch Bandit, warum
weiß sie immer noch nicht, daß dieses Parfüm auf mich dieselbe Wirkung hat wie frisches
Blut auf einen Panther? Seine Hand glitt über ihren Nacken, fand den obersten
Knopf der Bluse, öffnete ihn, und den zweiten, und den dritten, und den
vierten, suchte den Verschluß ihres Büstenhalters und stellte fest, daß es ihn
nicht gab.
    »Phil?« fragte sie in die
Dunkelheit.
    »Ja?«
    »Kein Mensch glaubt mir das in
meiner Klasse...«
     
    Grandlieus Rolls-Royce hatte
die Farbe von Milchkaffee. Die Sitze waren mit echtem Leopardenfell bezogen und
ließen sich auf elektromechanischem Wege in Liegesitze verwandeln. Was sich
nicht selten als praktisch erwiesen hatte. Im Fond befand sich ein kakaobraunes
Telefon, mit dessen Hilfe man die Zentrale in L’Hirondelle genauso

Weitere Kostenlose Bücher