Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
der
Zwerghunde, Kurzschnauze und Faltengesicht, 30 cm hoch, orangengelb, munter,
aber auch grämlich, feist, Lieblingstier Napoleons, ursprünglich von
Dschingis-Chan nach Europa gebracht, wo er rasch...«
Er klappt den Band zu und beißt
sich mit den oberen Schneidezähnen in die Unterlippe. »Kein Wort, wie alt sie
werden«, denkt Stutterbold, »kein Sterbenswort.«
Er starrt auf Mrs. Brown und
Mr. Miller, die friedlich auf seiner Couch schlafen. Ihre juwelenbesetzten
Halsbänder funkeln im Schein der Stehlampe. Leise tönt ihr Schnarchen durch den
Raum, Stutterbold hat die beiden Möpse nie leiden können. In diesem Moment haßt
er sie. Er haßt sie abgrundtief.
Stutterbold hat die Möpse
geerbt. Das ist alles, was er geerbt hat. Gewiß, da sind noch die beiden
Halsbänder. Tiffanys Topdesigner hat sie entworfen. Mrs. Browns Halsband ist
aus 18 K. Gelbgold, bedeckt mit 34 Birma-Rubinen in Form einer Apfelblüte. Mr.
Miller trägt eine Kreation aus Bergkristall, Rosenquarz und Smaragden.
Unter Brüdern wären sie ihre
Fünfzigtausend wert. Pro Stück. Momentan sind sie gar nichts wert. Stutterbold
darf die Halsbänder erst veräußern, wenn die beiden Möpse gestorben sind. Eines
nachweislich natürlichen Todes gestorben sind. Die Chefin hat an alles gedacht.
Er stößt mit dem Fuß das
Konversationslexikon zur Seite (Band 11, Maa bis Myxe). Er geht drohend auf die
Möpse zu. »Wie alt werdet ihr?!« flüstert er und wirkt in diesem Moment etwas
meschugge.
»Grungs«, macht Mrs. Brown,
hebt das Lid ihres linken Auges und schnieft wohlig.
»Grungs ist keine Antwort«,
sagt Stutterbold wütend. Wenn er nur wüßte, wie alt Möpse werden. Vielleicht so
alt wie Schildkröten. Jedenfalls sehen sie so aus. Er weiß noch nicht mal, wie
alt sie sind. Er weiß nur, daß die Chefin sie eines Tages von einer Chinareise
mitgebracht hatte.
»Vierzehn Jahre meines Lebens«,
murmelt er und durchmißt mit großen Schritten den Raum, »dahin, geopfert, die
schönsten Jahre eines Mannes. Ich, James P. Stutterbold, 42, Privatsekretär,
rechte Hand, ja Beichtvater einer der reichsten Frauen der Welt, gutaussehend,
wohlangesehen, bestsituiert«, er spricht wie eine Heiratsannonce, »hocke vor
den Trümmern meiner Träume. Zusammen mit zwei Möpsen.«
Das klingt so traurig, daß er
Mitleid kriegt. Mitleid mit sich selber. Wenn ein Mann sich bemitleidet, greift
er zur Flasche. Bei Stutterbold ist Bourbon drin, guter alter bräunlich
schimmernder Bourbon-Whisky.
»Prost, Jimmy«, sagt er. Das
wärmt so schön im Magen, das Zeug, es entspannt, entrückt, enthebt.
Beim fünften Prosit-Jimmy tun
ihm auch die Möpse leid. Er kniet vor ihnen nieder, sagt: »Seid arme Hunde. Bin
auch ‘n armer Hund. Wir kriegen nix, keinen blanken Heller. Kriegen alles die
deutschen Frollains.«
»Schnief.« Mr. Miller dreht
sich räkelnd. Er träumt von Marzipan und Nougat, weil er so gern was Süßes ißt.
»Neunzig— sechzig— neunzig.
Busen, Bauch und Hüfte. Müssen sie aber erst mal schaffen. Aber das schaffen
die. Sind ja Deutsche. Deutsche schaffen alles. Haben Energie, sind fleißig.
Wenn die Frollains den Kies haben, die Penunse, das Moos, die Mäuse...« er
berauscht sich an immer neuen Ausdrücken für das Wort »Geld«, »wenn sie den
Zaster haben, die Pinke-Pinke, den Draht, die Marie, dann kommt einer, und der
heiratet das alles!«
»Heiratet das alles«,
wiederholt Stutterbold versonnen. »Hei-ra-tet das al-les...«
Er steht auf, macht ein paar Schritte,
wendet sich an die Möpse: »Warum sollen wir eigentlich nicht alles
heiraten? Warum eigentlich nicht? Dazu müßten wir allerdings wissen, wer die
besten Chancen hat. Miß Beatrix, klar. Das heißt, so klar ist das gar nicht. £ g könnte ebensogut die andere sein, die Miß Radke. Mit der Alten ¡ s t
ja wohl kaum zu rechnen.«
Er setzt sich neben die Möpse
und streichelt geistesabwesend Mr. Miller. »Die Dünnste, wir heiraten die
Dünnste, logisch, wie aber erfahren wir das rechtzeitig?«
Er kriegt Glotzaugen, so sehr
zermartert er sich das Hirn. Es will ihm nichts einfallen. Nach fünf doppelten
Bourbons kann einem nichts mehr einfallen. Einen Monat vor dem Termin hinfahren
nach Europa, die beiden taxieren, der Dünnsten einen Antrag machen, das ging ja
wohl nicht. So was brauchte sorgfältige Vorbereitung, bedurfte der Möglichkeit
planmäßiger Überwachung.
Er stakst ins Badezimmer,
duscht heiß-kalt, kalt-heiß, nimmt zwei Aspirin, gurgelt sich die Fahne weg.
Und
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