Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
keine Fremdwörter. Er kennt alle Methoden, schlank zu
werden. Auch die des Johann Schroth und die des Dr. Hauser. Und weil er sie
kennt, bessert sich seine Laune.
»Hausern Sie doch mal«, hieß es
in den fünfziger Jahren in vielen Ländern, wenn man sich über
Schlankheitsrezepte unterhielt. Hausern war gerade »in«, heute ist es das nicht
mehr, aber die Radken hat es trotzdem in ihr begehrliches Auge gefaßt. Diese
Diät beruht auf naturheilkundlichen Erkenntnissen und sieht reichlich Eiweiß,
wenig Fett und viel naturbelassenes) Gemüse vor. Zu Hauser pilgerten viele
Hollywoodstars, wenn sie einer neuen Rolle wegen ein paar Kilo schmeißen
mußten. Und zwar auf möglichst angenehme Art. Denn der Speiseplan Gayelords
enthält so leckere Sachen wie Tatar, gegrilltes Huhn, frische Krabben, Wiener
Würstchen, Leber, Rührei, Omelette. Die beiden Extras, mit Lebertran und
Weizenkeimöl, nimmt man dabei gern in Kauf.
Das Rezept ist so lang wie ein
Kirchenlied und findet sich in Hausers Bestseller »Bleibe jung, lebe länger«,
München. Garantierte Gewichtsabnahme während einer zehn Tage dauernden Kur: 7
bis 8 Pfund.
Er wendet sich Erika zu, die
ihren Kleiderschrank ausräumt und wieder etwas lutscht, was nach Himbeeren
riecht. Seine Stimme kommt ganz sachlich: »90 — 60 — 90, Fräulein Radke, das
wird verlangt, wie Sie wissen. Was aber ist vorhanden?« Sein Blick fährt
schonungslos über ihren Körper.
»Größe 46«, antwortet Frau
Radke an Erikas Stelle, »und wenn schon.« Unwillkürlich wirft auch sie einen
Blick auf die Tochter.
»Größe 46 bedeutet 104-84-114,
wenn ich nicht irre. Hier klafft eine Diskrepanz...« Er zeigt mit den Händen,
wie sehr sie klafft. »Eine Diskrepanz von präzise 14 Zentimetern bei Busen, von
18 Zentimetern bei Bauch, sprich Taille, von 24 Zentimetern bei Hüfte.«
»Und wenn schon«, sagt die
Radke noch einmal, aber es klingt schon nicht mehr so forsch. Sie legt einen
Hausschuh in das Reisenecessaire, wo er nicht hingehört.
»Natürlich«, stößt Stutterbold
unerbittlich nach, »natürlich könnte man so was wegschrothen oder weghausern.
Man könnte, aber man kann es nicht. Weil der Mensch schwach ist und...«, er
schaut Erika an, »...ständig gefüllte Himbeerbonbons ißt, zum Beispiel.« Er
macht eine Kunstpause. »Ich weiß, wovon ich rede. Vierzehn Jahre im Dienst der
Schönheit, der Schlankheit, man kennt sich aus.«
Die Damen Radke schweigen. Ihr
Traum vom großen Geld hat einen Sprung gekriegt. Wie buntes Glas. Sie sind
kleinlaut geworden. Sie sind genau dort, wo Stutterbold sie haben wollte.
»Allerdings«, sagt er
genüßlich, »allerdings gäbe es da eine Möglichkeit...«
»Und was für eine wäre das?«
fragte Frau Radke gierig.
»Sie fahren von Zeebrugge auf
die Insel Madeira«, sagt er geheimnisvoll, »von Madeira auf die Insel
Teneriffa, von Teneriffa nach Lissabon, von Lissabon nach Tanger. Und wenn Sie
wieder in Zeebrugge sind, haben Sie das Geld in der Tasche.«
»Eine Schiffsreise?« Sie schaut
ihn enttäuscht an. »Jeder Mensch weiß, daß Schiffsreisen dick machen.«
»Im allgemeinen«, sagt
Stutterbold wieder sehr, sehr geheimnisvoll. »Aber nicht im besonderen.« Er
langt in seine krokodillederne Aktentasche und zaubert einen großen bunten
Faltprospekt heraus.
Annegret Radke liest den
Prospekt. Erika liest den Prospekt. Und beide strahlen sie. »Sie sind ein
Schatz, Stutterboldchen«, sagt Erika und drückt ihm einen Kuß auf die nach
»He-Man« duftende Wange.
Ihre Mutter denkt praktischer.
Sie denkt an ihre Nichte. »Ein reizendes Mädchen, die Trixi, wir mögen sie
alle, Sie werden es bemerkt haben«, sprudelt sie los, »aber in diesem Fall,
also bei Geld, hört die Freundschaft auf, die Verwandtschaft natürlich erst
recht, mit anderen Worten...«
»...es bleibt unser kleines
Geheimnis, natürlich.« Er legt lächelnd den Zeigefinger auf die Lippen. Besser
hätte es gar nicht gehen können. Alles läuft großartig.
»Und dann noch eins, lieber
Stutterbold. Sie sind, wie Sie selbst sagten, Experte, Schlankheitsexperte
sozusagen. Wie wäre es, wenn Sie uns begleiteten, als Berater, als Begleiter,
als beratender Begleiter, wenn ich mich mal so ausdrücken darf.« Sie setzt
entschlossen hinzu: »Ihr Schade, Mr. Stutterbold, soll es wirklich nicht sein.«
»Nun, ich weiß nicht, das kommt
denn doch alles ein wenig... überraschend und...« Er ziert sich ein bißchen. Er
denkt, das geht ja wie geschmiert, hier
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