Das goldene Meer
öffnete den Türspalt etwas weiter, aber ins Zimmer hineinsehen konnte man nicht. »Was rufen Sie da? Was ist mit Dr. Stark?«
»Er liegt blutend im Gang, Chef. Ich habe ihn gerade gefunden. Er … er rührt sich nicht.«
»Ich komme sofort. Wecken Sie Pitz und Julia.«
»Vor deren Tür liegt er ja!«
»Sieh an, das ist interessant. Ich bin in fünf Minuten da.« Dr. Herbergh schloß die Tür und drehte sich um. Anneliese saß im Bett und fuhr mit gespreizten Fingern durch ihr Haar. Ihr nackter Körper glänzte im Licht der Nachttischlampe, Schönheit, die man unentwegt bewundern mußte und deren Anblick allein ein beglückendes Gefühl war. »Hast du das gehört?« fragte Herbergh. »Wilhelm liegt vor Julias Tür.«
»Und blutet.« Er zog seine Hose an streifte einen Pulli über und schlüpfte in die weißen offenen Sandalen. »Ich denke, er ist ist sinnlos betrunken und wacht vor morgen früh nicht auf?!«
»Soll ich mitkommen?« fragte sie.
»Komm in ein paar Minuten nach. Wir bringen Wilhelm ins Hospital. Wenn uns zusammen kommen sieht …«
»Sollen wir weiter Versteck spielen?« Sie schob die Beine aus dem Bett, stand auf und lief ins Badezimmer. »Jeder weiß bereits, daß ich bei dir im oberen Bett schlafe.«
»Über mir, aber nicht mit mir.«
»Hältst du alle für blöd?« Anneliese blickte um die Glaswand des Bades herum zu Herbergh. »Sie nehmen als selbstverständlich hin, wofür du so einen langen Anlauf brauchtest.«
»Sieh an. Kaum hat man sie geküßt, schon wird sie frivol!« Herbergh streifte den weißen Arztkittel über. »Die wundersame Verwandlung der Anneliese Burgbach von der Eisernen Jungfrau zum Sexweibchen.«
»Jungfrau ist übertrieben, Liebling.« Sie spitzte die Lippen: »Gib mir einen Kuß, und dann ab zu dem blutenden Wilhelm.«
Dr. Herbergh folgte der Aufforderung, küßte sie und streichelte dabei über ihren Körper. Ihre Haut war glatt und bettwarm. Es war eine heroische Überwindung, sich davon loszureißen und wegzugehen.
»Immer kommt dieser Starke dazwischen!« sagte Herbergh mit gespielter klagender Stimme. »Nicht mal eine Hochzeitsnacht gönnt er uns.«
»Die steht uns noch bevor, Liebling.«
»Für mich war es eine Hochzeitsnacht. Du bist meine Frau. Ich kann mir nicht denken, wie das Leben ohne dich weitergehen könnte.«
»Ein Patient wartet, Herr Chefarzt, laufen Sie los!«
Dr. Herbergh kam vor Julias Tür an, als Johann Pitz und v. Starkenburg mit dem hier unpassenden Kommando ›Hauruck‹ Dr. Starke an Füßen und Armen vom Boden hochhoben. Wo er gelegen hatte, breitete sich eine Blutlache aus.
»Chef …«, keuchte Pitz und umklammerte Dr. Starkes Beine. Der Bewußtlose war schwer und hing durch, was sein Gewicht noch verstärkte. »Man hat versucht, ihm den Schädel einzuschlagen. Leider ist es nicht gelungen.«
»Pitz!« Herbergh hob warnend den Finger.
»Was macht er um diese Zeit an Julias Tür?«
»Das geht doch Sie nichts an, Pitz.« Herbergh faßte unter den durchhängenden Körper und stemmte ihn hoch. Starke war schwerer, als man es ihm ansah. »In den OP! Wir sprechen uns nachher noch, Pitz!«
»Jawohl, Chef.«
Auf dem OP-Tisch, im starken Licht der Operationsleuchte, sah die Wunde harmloser aus, als es Herbergh befürchtet hatte. Pitz hatte den blutverschmierten Schädel gewaschen und begann vorsichtig die Haare abzurasieren.
»Das ist ja noch einmal gut gegangen«, sagte Herbergh erleichtert. »Eine geplatzte Kopfhaut, kein Knochen verletzt, die Hirnschale ist unversehrt. Eine Commotio wird er mitbekommen haben, aber das ist kein Problem. Und die Wunde nähen wir jetzt.«
Er gab Dr. Starke vorsorglich eine Injektion mit einem Lokalanästhesiemittel, für den Fall, daß er während des Nähens aus seiner Bewußtlosigkeit erwachte. Pitz war mit seiner Rasur fertig und desinfizierte die Wunde mit einem orangefarbenen Mittel. Es hatte gegenüber dem Jod den Vorteil, nicht zu brennen. Mit verkniffenem Mund betrachtete er Dr. Starke, während Herbergh Nadeln, Nähmaterial und Tupfer aus den verschiedenen Schubladen holte.
»Rufen Sie Julia an, Pitz«, sagte er dabei. »Sie soll sofort herkommen.«
»Jawohl, Chef … aber was soll sie hier? Das können wir doch allein.«
»Ich will sie sprechen.« Dr. Herbergh trat an den OP-Tisch. Mit einer Pinzette zeigte er auf die Kopfwunde. »Das ist doch kein bloßer Unfall! Da hat doch jemand zugeschlagen.«
»Es sieht so aus, Chef.«
»Es ist so! Und das will ich klären.«
»Ich auch,
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