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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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stand. Daneben hatte er ein Foto in einem Silberrahmen aufgestellt. Eine schöne, junge Frau mit schwarzen Locken. Etwas unmodern, dachte Anneliese mit plötzlich aufsteigender Gehässigkeit. Etwas weniger Dauerwellen wären besser. Sieht fast aus wie mit der Brennschere gedreht. »Ich muß zu Ut. Sie läßt Winter ja nicht hinein.« Anneliese zeigte kurz auf das Foto. »Ihr Liebling, Fred?«
    »Ja. Meine Mutter. So sah sie aus, als sie mich bekam. Es war das Lieblingsbild meines Vaters. Ich mußte es mit auf das Schiff nehmen. Es bringt Glück, mein Junge, hat meine Mutter gesagt.«
    »Sie sollten sie nicht enttäuschen, Fred. Bis nachher.«
    Mit einem Seufzer sank Herbergh in einen der Sessel, die um einen kleinen runden Tisch am Kabinenfenster standen. Er war froh, daß Anneliese sich jetzt um Ut und die Kinder kümmern mußte. Das gab etwas Luft. Er fühlte sich in die Enge getrieben, wie ein Boxer in der Ringecke, der sich mit einer Gegenattacke befreien muß oder zu Boden geht. Sie ist ein Luder, dachte er. Verdammt noch mal, das ist sie. Wie die Katze mit einer Maus, so spielt sie mit mir. Aber habe ich es anders verdient? Warum bin ich bei Anneliese nicht so wie bei den anderen Frauen? Wenn es darauf eine Antwort gäbe, wäre alles viel leichter.
    Er beugte sich zurück, holte das Telefon auf seinen Schoß und wählte die Nummer der Küche. Hans-Peter Winter meldete sich nach kurzer Zeit.
    »Ah, Chef!« sagte er, etwas atemlos. »Bin gerade von Dr. Burgbach zurück. Hörte das Klingeln und bin gesprintet. Was kann ich für Sie tun, Chef?«
    »Was haben Sie für Ut gekocht?«
    »Erbsensuppe. Aber verfeinert mit gerösteten Schinkenwürfeln, Eiercroutons und vier Wiener Würstchen.«
    »Fabelhaft. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen.«
    »Ich habe noch etwas Suppe übrig, Chef.«
    »Her damit! Und zwei Teller.«
    »Zwei Teller, jawohl. Und etwas Toast dabei?«
    »Auch Toast. Und eine Flasche Sekt. Haben Sie Sekt, gut gekühlt?«
    »Ich habe nur noch fünf Flaschen, Chef.«
    »Davon wird eine jetzt geköpft.«
    »Mit zwei Gläsern?«
    »Fragen Sie nicht so dumm!« Dr. Herbergh lachte. »Wo zwei Teller sind, gehören auch zwei Gläser hin.«
    »Das ist logisch, Chef.«
    »Na also. Machen Sie sich auf den Weg.«
    »Sofort?«
    »Per Expreß, Winter.«
    Dr. Herbergh stellte das Telefon zurück auf den Nachttisch. Winter schien tatsächlich fliegen zu können; schon nach wenigen Minuten klopfte es, und der Koch erschien mit einem großen Tablett, auf dem er zwei Teller Erbsensuppe, eine Flasche Sekt und zwei Gläser balancierte. Sogar ein weißes Tischtuch hatte er mitgebracht und zwei Servietten. Diskret sah er sich in der Kabine um, aber ein Gast war nicht zu sehen. Laß mich raten, dachte er, während er den Tisch deckte. Nur zwei kommen in Frage, wenn es um Sekt geht: Julia oder Dr. Burgbach. Der Chef wäre nicht mehr normal, wenn es Julia wäre … also bleibt nur noch Dr. Burgbach übrig.
    Er dekorierte Suppe, Toast, Butterstückchen, Pfeffer und Salz und Sektgläser so vollendet wie im Maxim's und trat dann zurück. »Recht so, Chef?«
    »Umwerfend, Winter. Das wird meine beste Erbsensuppe. – Die zweitbeste war die beim Bund. Sie sind ein Künstler.«
    Das sollte Stellinger hören, dachte Winter.
    »Ich wünsche einen schönen Abend«, sagte Winter, ohne es anzüglich zu meinen. »Sie sollten die Erbsensuppe essen, solange sie heiß ist, Chef.«
    Er verließ die Kabine und traf auf dem Gang Anneliese, die von Ut zurückkam. Also doch Dr. Burgbach, dachte Winter zufrieden. Gratuliere, Chef. Hier ist keiner, der sie Ihnen mißgönnt. Vielleicht Dr. Starke, aber der paßt nun gar nicht zu ihr.
    »Wo kommen Sie denn her?« fragte Anneliese. Sie blieb vor Winter stehen.
    »Vom Chef, Frau Doktor. Er hatte spezielle Wünsche …«
    »Ach so.« Sie nickte und übersah das breite Grinsen in Winters Gesicht. »Gute Nacht.«
    »Gute Nacht, Frau Doktor.«
    Vor der Kabinentür blieb Anneliese stehen und holte tief Atem. Es war das erstemal in ihrem dreißigjährigen Leben, daß sie zu einem Mann ging mit dem festen Willen, bei ihm zu bleiben. Bisher hatte sie nie von sich aus die Initiative ergriffen und einen Mann gezwungen, seine Hemmungen zu überwinden. Bei Dr. Herbergh war das etwas völlig anderes. Seine Augen verrieten jedes seiner Gefühle, aber über seine Lippen kam kein Wort. Man konnte doch nicht zu ihm sagen: Nun tu doch, was deine Augen wollen, das hätte ihn so verunsichert, daß er ihr erst recht

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