Das goldene Meer
mal aus, Julia. Keine Ausflüchte mehr. Augenaufschläge sind bei mir ohne Wirkung. Und schließen Sie Ihren Bademantel. Auch halbnackte Frauen werfen mich nicht um. Hat Dr. Starke Sie manchmal belästigt?«
»Muß ich das in Gegenwart Dritter sagen?«
»Pitz? Ich denke, Pitz ist Ihr Verlobter.«
Julias Kopf fuhr wie der einer zustoßenden Schlange zu Pitz hinüber. »Hast du das gesagt?« zischte sie.
»Er hat gesagt, daß Sie sich lieben«, antwortete Dr. Herbergh schneller als Pitz.
»Hat er das? Er läuft mir nach wie ein Hund …«
»Julia …«, stotterte Pitz. »Das ist doch nicht wahr. Warum lügst du denn? Wir wollen doch in Manila heiraten, das hast du selbst gesagt. Du kannst es gar nicht mehr erwarten, hast du gesagt. In Deutschland wollten wir zusammen in einem Krankenhaus arbeiten.« Pitz wischte sich über sein Gesicht. »Ist das jetzt alles nicht mehr wahr?«
»Du hast uns verraten, Johann!«
»Er hat nur die Wahrheit gesagt.« Dr. Herbergh zeigte auf den noch immer halb betäubten Starke. »Noch einmal, Julia: Hat er Sie belästigt?«
»Belästigt? Nein!« Das war keine Lüge. Die nächtlichen Besuche von Wil, wie sie ihn zärtlich nannte, waren durchaus keine Belästigung gewesen. Sie zog den Bademantel zu, nichts war ihr zu beweisen, das wußte sie, gar nichts. Am allerwenigsten die Nächte mit Go, mit Hugo Büchler, der nie den Fehler begangen hätte, betrunken an ihre Tür zu klopfen. »Abgesehen von den dummen Reden, die er immer führt …« Sie blinzelte wieder mit den Wimpern. »Aber das kenne wir ja alle, Chef. Er ist ja auch Frau Dr. Burgbach gegenüber so.«
Wie auf ein Stichwort betrat in diesem Augenblick Anneliese den OP und blickte sich mit gut gespieltem Erstaunen um.
»Was ist denn hier los? Ich bin von dem Herumrennen auf dem Gang aufgewacht. Und Sie waren plötzlich auch nicht mehr in Ihrem Bett, Fred.« Das klang so überzeugend förmlich, daß fast auch Dr. Herbergh daran glaubte. »Ein Unfall? Kopfverletzung? Hier riecht es nach Alkohol.«
»Dr. Starke.« Herbergh mußte das Spiel mitspielen. Er wartete ab, bis Anneliese an den OP-Tisch getreten war, sich über Starke gebeugt und die Wunde betrachtet hatte. »Bei seinem nächtlichen Ausflug hat es ihn erwischt.«
»Er ist betrunken. Wo hat er sich denn so angestoßen?«
»Er ist niedergeschlagen worden.«
»Vor Julias Kabinentür?« Niemand fiel auf, woher Anneliese das wußte. Sie aber merkte den Fehler sofort und wappnete sich für eine Antwort. Aber keiner fragte. Sie wandte sich zu Julia um, die verlegen auf der anderen Seite des OP-Tisches stand. »Haben Sie eine Erklärung dafür?«
»Alle fragen mich dasselbe und dann in einem solchen Ton.« Sie tat sehr beleidigt, zog einen ihrer berühmten Flunsche und sah aus wie ein trotziges Kind. »Ich kann doch nichts dafür, wenn er plötzlich ausgerechnet vor meiner Tür niedergeschlagen wird. Das müssen Sie den fragen, der es getan hat.«
»Und das werde ich feststellen!« Dr. Herbergh zeigte auf Dr. Starke. »Pitz, holen Sie Starkenburg herein und bringen Sie Dr. Starke auf einer Trage in seine Kabine. Ich komme gleich nach.«
Er wartete, bis man Dr. Starke vom OP-Tisch auf die Trage gehoben und weggebracht hatte. Er war nun mit Julia und Anneliese allein und bemerkte, wie Julia immer unruhiger wurde.
»Sie haben mir nichts zu sagen?« fragte er. »Pitz ist weg.«
»Nein, Chef.«
»Wir sind ganz unter uns, Julia. Was jetzt gesprochen wird, erfährt niemand. Hat Dr. Starke Sie öfter besucht?«
»Nie!«
»Ich habe das feste Gefühl, Sie lügen weiter, Julia. Beweisen kann ich Ihnen nichts, das wissen Sie. Aber die Wahrheit würde uns vielleicht helfen, den Täter zu finden.«
»Fragen Sie doch Dr. Starke selbst, Chef.«
»Wenn jemand ein Meister im Leugnen ist, dann er! Julia, halten Sie es für möglich, daß Pitz der Täter ist?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Er weiß doch von nichts.«
»Also stimmt es.« Herbergh lächelte schwach. Über Julias Gesicht flog ein roter Schimmer.
»Das war gemein, Chef!« rief sie und rannte zur Tür. »Sie drehen mir die Worte im Mund rum! Gemein ist das.«
Sie warf die Tür heftig hinter sich zu, es hallte laut durch das ganze Hospital.
»Vielleicht tust du ihr wirklich Unrecht?« sagte Anneliese. »Glaubst du, daß Wilhelm nachts zu ihr schleicht?«
»Ja.«
»Du sagst das so sicher, als wenn du mehr wüßtest.«
»Sicher weiß ich es nicht. Aber ich kann's ihm nachempfinden. Wenn du nicht an Bord gekommen
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