Das goldene Meer
hereinbrechenden Wasser hin und her geschleudert. Aber sie schafften es, erreichten keuchend Dr. Starke, rissen die Tür auf und verschwanden im Inneren. Über beide Köpfe rannen Blut und Wasser.
Was die können, kann ich auch! Junge, zeig mal, daß du als Student ein guter Sportler gewesen bist. Wilhelm, reiß dich zusammen. Diesen Thai Cong Ky mußt du dir zur Brust nehmen.
Dr. Starke straffte sich, griff nach dem Seil und lief, sich mit beiden Händen anklammernd, los. Die schwere Arzttasche drückte ihn nach vorn, die umgebundenen Schienen behinderten ihn beim Vorwärtshangeln. Eine Wand aus schäumendem Wasser kam auf ihn zu, er schloß die Augen, krallte die Finger um das Seil und fühlte sich wie ein Ball hochgehoben, als die Woge ihn erreichte.
Festhalten! Festhalten, Junge! Und wenn's dir die Handgelenke ausreißt, festhalten! Aber Luft mußt du haben. Luft! Du erstickst ja!
Der Brecher klatschte hinter ihm aufs Deck, er konnte wieder atmen, fühlte die Planken wieder unter seinen Füßen und rannte am Seil weiter. Am Kran erreichte ihn der zweite Wasserschlag, aber hier war es ungefährlicher. Das Eisengestänge milderte den Aufprall, die Luft blieb ihm nicht weg, nur stand er sekundenlang unter Wasser, als sei er schon weggespült und in die Tiefe des Meeres gerissen.
Nur noch zehn Meter. Lächerliche zehn Meter, aber die waren wieder freies Deck, über die ungehindert die Brecher hinwegfegten. Dr. Starke atmete tief durch. Das Schiff wurde aus einem tiefen Wellental emporgedrückt, als wolle es auf dem fahlgrauen Himmel weiterfahren. Das war der Augenblick, wo kein Wasser auf das Deck stürzte. Dr. Starke rannte los, das Seil unter die linke Achsel geklemmt, erreichte den Niedergang und das verchromte Geländer. Mit einem Ruck riß er die wasserdichte Tür auf und warf sie sofort hinter sich zu. Ein neuer riesiger Brecher schüttelte die Liberty durch.
In einer Art Vorraum, den Stellinger ›die Portiersloge‹ nannte, saß Hung auf einem Stuhl an der Wand und blickte Dr. Starke teilnahmslos an. Seine Hängebacken schwabbelten bei jeder Schiffsbewegung, die dicken Säulenbeine stemmten sich gegen den Boden, mit den Fingern umklammerte er eine in die Wand geschraubte Stange, über der sonst ein Handtuch hing. Es war ein mitleiderregender und lächerlicher Anblick zugleich. Dr. Starke schüttelte sich wie ein nasser Hund, zog die Plastikhaut über den Kopf. »Wo ist dieser Thai Cong Ky?« fragte er und schleuderte die nasse Pudelmütze auf die Dielen.
»Im Lager I …« Hung würgte die Worte heraus. Er hatte keine Angst mehr, wenn er die Augen schloß, schien sich alles um ihn zu drehen, kam er sich vor wie in einer rotierenden Trommel.
»Sitzt er wieder bei ihr?«
»Ja.«
Dr. Starke schnallte die Schienen und den Zellstoffbeutel ab und legte alles auf den Tisch. Bei der nächsten Welle fiel alles auf den Boden; er ließ es liegen. Nur seinen Arztkoffer behielt er in der Hand.
»Kommst du mit?« fragte er.
Hung schüttelte verzweifelt den Kopf und verdrehte die Augen. Das Schiff hob und senkte sich wie ein Wagen auf einer Achterbahn. Dr. Starke hielt sich an den Wandstangen fest und arbeitete sich zum Lager I vor. Der saure Gestank von Erbrochenem prallte ihm entgegen, als er den großen Raum erreicht hatte. Er blieb an der offenstehenden Doppeltür stehen und suchte im Gewimmel der Menschen nach Phing. Er sah sie mitten im Raum auf ihrer Holzplatte liegen, von der Seekrankheit fast bewußtlos, wegen der drückenden, stickigen Hitze nur mit einer zerfransten Hose und einem Hemd bekleidet. Neben ihr hockte ein junger Bursche und hielt sie fest, wenn das Schiff zu sehr rollte.
Dr. Starke arbeitete sich durch die Liegenden hindurch bis zu Phing. Auf dem Weg zu ihr hoben Mütter ihm ihre Kinder entgegen, riefen um Hilfe, umklammerten seine Beine. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sie brutal den Griffen zu entreißen und über sie hinwegzusteigen. Dann stand er endlich vor Phing und blickte auf Thai Cong Ky hinunter. Der junge Vietnamese lächelte ihm gequält zu.
»Lächle nur, du Saukerl!« sagte Dr. Starke bitter. Da Thai ihn ja nicht verstand, konnte er alles das sagen, was er sich für diesen Augenblick aufgespart hatte. »Ich wollte nur wissen, wie du aussiehst. Bis Manila haben wir noch gut zwei Wochen Zeit, irgendwann zahlst du die Rechnung. Du wunderst dich gar nicht, daß ich noch lebe? Womit hast du zugeschlagen? Sieh mich nicht so heuchlerisch an, du abgebrühter Schurke!«
Er
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