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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weit weg von allem, was ich bisher erlebt und erduldet habe. Das wenige Geld, das ich noch hatte, reichte aus, um nach Hamburg zu fahren und mir gefälschte Seemannspapiere zu beschaffen. Man kann daran kommen, wenn man die Händler kennt, vor allem, wenn man schwul ist. Und so wurde Herbert v. Starkenburg ein Matrose, der seit zwölf Jahren zur See fährt, auf Schiffen, die er nie betreten hat und deren Namen er aus wendig lernen mußte, denn jeder Seemann kennt ja die Pötte, auf denen er gefahren ist. Und auch die Kapitäne. Mit diesem auswendig gelernten Wissen fuhr ich wieder nach Köln, wurde aufgrund meiner hervorragen den Papiere sofort angestellt, bekam eine Flugkarte nach Monrovia in Liberia und meldete mich dort auf der schönen ›Liberty of Sea‹ bei Kapi tän Larsson.
    Gutes Muttchen, ich bin glücklich. Natürlich wurde ich bei der Über fahrt nach Singapur seekrank, aber es soll Matrosen geben, denen das in den ersten Tagen auf See immer so geht.
    Als ich das überwunden hatte, fühlte ich mich schon als richtiger Matrose und da ich, wie Du weißt, sehr lernfähig bin, hatte ich bald jeden Trick heraus, wie man sich an Bord die Arbeit erleichtern kann.
    Das Wichtigste aber ist: Ich habe hier auf der ›Liberty‹ einen guten Freund gefunden. Einen wirklichen Freund. Einen lieben Freund. Er heißt Julius Kranzenberger und ist der Chief des Schiffes. Chief bedeutet Chefingenieur. Er ist also der Mann, der dafür sorgt, daß alle Maschi nen funktionieren. Man sagt, der wichtigste Mann an Bord.
    Nun ist das Leben wieder schön. Ich sehe etwas von der Welt, bin weit weg von all dem vergangenen Mist, bin jetzt wirklich schon ein richti ger Matrose – hier sagt man Decksmann dazu – und helfe vor allem mit, die Flüchtlinge aus dem Meer zu bergen. Eine große Aufgabe und so erschütternd, daß einem jedesmal, wenn wir wieder einige gerettet haben , die Seele schmerzt.
    Wir haben jetzt 137 Gerettete an Bord. Wir kreuzen zur Zeit vor dem Mekong-Delta. Sieh Dir das mal auf der Karte an, liebes Muttchen. Heu te ist ein ruhiger Tag, und ich kann Dir diesen langen Brief schrei ben.
    An Bord ist allerhand los. Nicht so sehr mit den Vietnamesen, die sind glücklich, in Sicherheit zu sein. Aber es geschehen andere Dinge, die ich beobachte und deren Entwicklung mir kleine Sorgen macht. Nein, zwi schen mir und Julius ist alles in bester Ordnung, aber …
    Da ist eine Krankenschwester an Bord, Julia, ein ungewöhnlich hüb sches Mädchen mit einer sexuellen Ausstrahlung, die selbst ich spüre. Wie erst die anderen Männer auf dem Schiff! Drei sind hinter Julia her: der 1. Offizier, der Krankenpfleger und ein Arzt, Dr. Starke. Mit jedem hat sie schon geschlafen, aber keiner weiß das vom anderen. Wenn sie es er fahren, muß hier der Teufel los sein. Drei Wochen sind wir jetzt auf See, ein halbes Jahr ist zunächst geplant. Es ist unmöglich, daß ein halbes Jahr lang keiner merkt, daß er bei Julia nicht der einzige ist.
    Heute gab es einen Fehlalarm. Ausgelöst von Chefarzt Dr. Herbergh . Nicht aus Irrtum, sondern bewußt. Du weißt, Muttchen, daß ich scharf beobachten kann. Und so habe ich bemerkt, daß der Chef sich in unsere Narkoseärztin, Dr. Anneliese Burgbach, verliebt hat. Nur er zeigt es nicht. Er will keine Konflikte an Bord. Aber heute drehte er plötzlich durch: Dr. Starke saß mit Dr. Anneliese unter dem Sonnensegel, der Chef stand auf der Nock. Da legte Dr. Starke seine Hand auf den Schen kel von Anneliese … und beim Chef muß eine Birne geplatzt sein: Er gibt Alarm und trennt damit auf dramatische Art die beiden. Ich hätte dem Chef so etwas nie zugetraut. Eigentlich weiß nur ich, wie der Alarm zustande kam, und ich werde natürlich schweigen. Auch hier ist also schon ein Konflikt vorgezeichnet: Der Chef und Dr. Starke werden nie Freunde werden, wie man es erwartet und wie es für unsere große, schwe re Aufgabe auch notwendig ist.
    Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Man sieht auch hier wieder, wie wir von unseren Gefühlen abhängig sind, wie sie uns regieren, wie sie uns zwingen, ob wir nun wollen oder nicht.
    Mein geliebtes Muttchen, mein Alles, nun ist genug geplaudert. Freu Dich, daß es Deinem Sohn so gut geht, und hoffe mit mir, daß mein Le ben hier eine andere, bessere Wendung bekommen wird.
    Ich umarme und küsse Dich und sehe Dich immer vor mir – Deine weißen Haare, Deine gütigen Augen und Dein immer verzeihendes Lä cheln.
    Ich liebe Dich unendlich Dein Sohn Herbert.
    Truc Kim

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