Das goldene Meer
Amerikaner waren unvorstellbar große Vorräte zurückgeblieben. Überdies hatte man genug Waffen bei Überfällen und Hinterhalten erbeutet, bei denen die gefallenen Amerikaner total ausgeplündert wurden. Wer damals klug und schnell war, hatte sich ein privates Waffenlager anlegen können und überhörte die mehrmals veröffentlichten Aufrufe der Regierung, alle Waffen an Sammelstellen abzuliefern.
Etwas Mühe hatte Truc, den Messingtreiber zu überzeugen, daß er die Maschinenpistole im Augenblick zwar nicht bezahlen konnte, sie aber dringend brauchte. Nach langem Handeln überschrieb Truc seine Fischerhütte und seine Frau als Pfand, die beiden Kinder sollten – falls Truc nicht zahlen konnte – in ein staatliches Kinderheim kommen oder in Ho-Chi-Minh-Stadt verkauft werden. Es gab dort Käufer genug, vor allem für das Mädchen, das einmal eine Kapitalanlage werden konnte, wenn es in einem Bordell arbeitete.
So also kam Truc in sein Dorf zurück, erzählte seiner Frau nichts von dem, was er abgeschlossen und vorbereitet hatte, sondern sagte nur, daß er in einigen Tagen länger auf dem Meer bleiben werde als sonst, man hätte Nachricht über große Fischschwärme bekommen, denen man auflauern wollte und die ein gutes Geschäft versprachen. So begann die Karriere des Piraten Truc Kim Phong.
Schon bei der ersten Fahrt vor dem Mekong-Delta traf er auf drei Flüchtlingsboote mit insgesamt 79 Frauen, Männern und Kinder, die keine Gegenwehr leisteten, weil sie ohne Waffen waren. Truc, mit seiner amerikanischen Maschinenpistole, war der Herr über Leben und Tod, und er setzte diese Macht skrupellos ein. Kaltblütig erschoß er alle Männer und ließ die Toten von den Frauen über Bord werfen, plünderte darauf die Boote aus und überließ sie dann ihrem Schicksal – ohne Lebensmittel, ohne Treibstoff. Nur das Wasser ließ er ihnen. Was aus ihnen geworden ist, weiß keiner. Man kann es nur ahnen.
Mit Truc kam das Grauen in das Südchinesische Meer.
Den zweiten Raubzug unternahm er schon mit drei Helfern. Sie schworen absolute Verschwiegenheit, auch wenn man sie gefangen nehmen sollte, sonst wäre ihr Leben keinen Dong mehr wert. Daß Truc es ernst meinte, bewies er drei Wochen später. Einer der drei Mitpiraten hatte irgendwo eine Andeutung gemacht, wieviel Geld da draußen auf dem Meer herumschwamm. Truc erfuhr davon, hielt bei der nächsten Fahrt plötzlich den Motor an, nahm seine Maschinenpistole unter den Arm und rief den Schwätzer auf das Vorschiff. Die beiden anderen sahen mit verkrampften Gesichtern zu.
»Chac«, sagte Truc ganz ruhig, »du bist ein Verräter. Du hast geredet. Du hast deinen Schwur gebrochen. Du bist keinen Dong mehr wert.«
»Ich habe es nur meinem Onkel gesagt!« schrie Chac. Entsetzen und Todesangst ließen seine Augen aus den Höhlen quellen. »Truc, hör mich an, mein Onkel ist ein schweigsamer Mann, er wird uns nie verraten!«
»Aber du bist nicht schweigsam und gehörst nicht mehr zu uns.« Truc hatte die Maschinenpistole gehoben und sie auf Chacs Brust gerichtet. »Spring über Bord!«
»Truc, hier sind Haie! Truc …«
»Spring!« Truc krümmte den Finger. Die Kugel schlug in den linken Arm ein und riß Chac fast von den Beinen.
»Ich schwöre, nie mehr etwas zu sagen!« heulte Chac und fiel vor Truc auf die Knie. Wie betend streckte er ihm die Hände entgegen. »Truc, hab Erbarmen! Truc …«
Wie konnte man mit Truc über Erbarmen reden? Das Wort hatte er aus seinem Wortschatz gestrichen. Der zweite Schuß traf den knieenden Chac in die Schulter und schleuderte ihn an die Bordwand. Das Blut sprudelte aus der Wunde, eine Arterie mußte zerrissen sein. Weinend lag Chac auf dem Boden und versuchte dann, auf Truc loszukriechen. Seine gestammelten Worte verstand keiner mehr, aber wer wollte sie auch noch hören. Und Trucs Stimme, kalt wie ein Schlag auf Eisen, sagte: »Spring!«
Chac heulte wieder wie ein Schakal, versuchte sich aufzurichten, aber es gelang ihm nicht mehr. Mit einer halben Drehung sah Truc hinüber zu den beiden anderen Helfern und winkte. Sie verstanden diese Geste sofort, aber sie zögerten. Chac war ihr Freund seit Kindertagen, sie hatten gemeinsam die Schule besucht, hatten später zusammen gefischt, hatten in den Reishütten die Mädchen geliebt … Truc, das kannst du nicht von uns verlangen.
»Ich habe genug Patronen im Magazin«, sagte Truc mit entsetzlich ruhiger Stimme. »Ich bin oft allein gefahren. Ich kann es auch jetzt.«
Er zeigte mit dem
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