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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Händen zu ihm winkte. »Larsson will in Manila Stellinger von Bord nehmen. Er will einen anderen Oberbootsmann.«
    »Das kommt überhaupt nicht in Frage.«
    »Bring das auch in deinem Funktelegramm unter, Albert. Larsson ist genau das, was ihm Stellinger gesagt hat: Ein sturer Hund! Und, ich bleibe dabei, versuch einen anderen Kapitän bei der Reederei zu bekommen. Wenn wir ein eigenes Schiff hätten …«
    »Das wird immer ein kühner Traum bleiben. Wer soll uns die Millionen geben? Wir sind Bettler, Fred, Bettler für Not und Humanität, und wie stinkende Bettler, so behandelt man uns auch. Ende.«
    »Ende.« Dr. Herbergh hängte den Hörer wieder ein. Erst mit diesem Griff verlor er seine Haltung und sank auf den Stuhl zurück. Er schloß die Augen und sah unendlich müde aus.
    »Alles Scheiße, was?« sagte Stellinger gedämpft.
    »Ich komme mir selbst wie eine Ausgestoßene vor.« Anneliese beugte sich über den röchelnd schlafenden Dr. Starke, zog ihm die Zigaretten aus der Rocktasche und zündete sich eine an. Stellinger gab ihr Feuer mit seinem zerbeulten Sturmfeuerzeug. Dr. Herbergh winkte ab, als sie ihm die Packung hinhielt. Stellinger bedankte sich mit einem stummen Nicken. »Wir gehen also näher an die Küste?«
    »Ja.« Dr. Herbergh goß sich noch einen Cognac ein. »Wir müssen noch eine Menge Boote aufnehmen, bis der Taifun in diese Gegend kommt. Auf sturmgepeitschter See haben sie überhaupt keine Chance mehr.«
    »Und wohin mit den Geretteten?«
    »Ich weiß es nicht, Anneliese.« Herbergh hob die Schulter. »Dafür muß und wird Albert sorgen. Wir sind nur die Menschenfischer.«
    Xuong hatte es sehr eilig, in den Lagerraum und zu Uts drei Kinder zu kommen. Was sie ihm berichtet hatte, gebot schnelles Handeln. Le Quang Hung, den Dolmetscher, sah er nicht auf Deck und auch nicht bei der Küchenbaracke, wo sonst sein bevorzugter Platz war. Da saß er den größten Teil des Tages über im Schatten eines Sonnensegels, hörte sich die Klagen an, die man ihm vortrug und schlichtete wie ein weiser Richter die Streitigkeiten, die unvermeidbar waren. – Wenn fast 200 Menschen eng beieinander leben, fast Rücken an Rücken, gibt es Reibungen, flackert grundlose Feindschaft auf, kann ein einziges Wort zum Haß führen, blühen Mißgunst und Neid auf, beobachtet man genau, ob der andere mehr auf seinem Plastikteller hat als man selbst. Und um Beschwerden anzunehmen und weiterzugeben an die weißen Ärzte, war Hung die einzige Instanz. Was er selbst nicht regeln konnte, trug er Dr. Herbergh vor. Mit Dr. Starke sprach er über solche Dinge nicht, nachdem Starke ihm einmal gesagt hatte: »Hung, tritt sie in den Arsch! Wir haben sie nicht gerettet, damit sie sich jetzt gegenseitig die Schädel einschlagen.« Hung fand, daß dies keine Hilfe in seinem täglichen Kampf mit menschlichen Problemen sei, und berichtete nur noch Dr. Herbergh. Der brachte die Geduld auf, ihm zuzuhören und schüttelte nur den Kopf, wenn Hung berichtete, daß Fischer aus zwei nebeneinanderliegenden Dörfern sich bis zur Ekstase beschimpften, weil jeder behauptete, sein Dorf sei das schönere. Daß sie nichts mehr besaßen als die Fetzen auf ihrer Haut, eine Plastikschüssel fürs Essen, Plastiksandalen und ein Handtuch aus den Schiffsbeständen, selbst die Decke, auf der sie schliefen und die ihren kleinen Lebensraum bildete, würden sie auf dem Schiff lassen müssen, wenn ein anderes Land sie aufnähme, das alles vergaßen sie, wenn es darum ging, miteinander zu streiten.
    Nun aber saß Hung nicht unter dem Sonnensegel, und Xuong rannte über das Deck in der Angst, vielleicht schon zu spät zu kommen.
    Auf der Treppe zu den Lagerräumen überraschte ihn der Alarm. Sofort wälzte sich eine Woge von Menschen ihm entgegen und drängte nach oben. Xuong preßte sich gegen die Wand, ließ die Aufgeregten an sich vorbeistürmen und hörte von oben den lauten Aufschrei: »Das ist Truc! Betet! Betet!«
    Xuong rannte weiter, obwohl sich seine Nackenhaare sträubten. Wie ein Kälteschauer überlief es ihn. Truc war in ihre Nähe gekommen, die Leib gewordene Vernichtung, das lebende Grauen. Von oben, vom Deck, hörte er ein vielstimmiges Schreien und Klagen, ein Signal, auf das hin nun auch die unter Deck gebliebenen Frauen zu weinen und zu jammern begannen und ihre Kinder an sich drückten.
    Mit pfeifendem Atem erreichte Xuong das Lager. Zwischen von Wand zu Wand gespannten Leinen, an denen die Wäsche trocknete, zwischen Näpfen, Schüsseln,

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