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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Beamten für Asylanträge.
    »Wer kümmert sich jetzt um sie?« fragte Hung heuchlerisch. »Ut ist krank.«
    »Ich.«
    »Du, Lehrer? Wie kannst du das bei deinen vielen Aufgaben. Du bist Vorsitzender des Schiffsparlaments, du gibst Unterricht bei den Kindern, du bist der oberste Richter an Bord, wenn meine Vermittlungen keinen Erfolg haben, wir alle haben dich gewählt wie ein Oberhaupt … wie kannst du dich dann um die Kinder kümmern?«
    »Warum willst du Ut töten?« fragte Xuong plötzlich. Es war wie ein Schuß, der Hung traf und fast von den Beinen schleuderte. Seine in Fett eingebetteten Augen weiteten sich.
    »Warum soll ich Ut töten?«
    »Sie sagt es.«
    »Xuong, was beweist besser, daß ihr Geist verwirrt ist, als diese dumme Rede? Sieh mich an. Kann ich einen Menschen töten? Traust du mir zu, eine Frau umzubringen?«
    »Du glaubst an Hexen, Hung.«
    »Was heißt glauben? Ich leugne sie nicht.«
    »Und Ut ist für dich eine Hexe. Hast du das nicht vorhin zu den Kindern gesagt?«
    »Eine Redensart, Xuong. Ich wiederhole es. Ich war wütend. Was kommt aus einem Wütenden nicht alles heraus!« Hung suchte einen Ausweg, sich jetzt schnell zu entfernen. Auch das hat Ut ihm erzählt. Trotz aller Warnungen. Doch was würde ihr das nützen? Xuong kann nicht wochenlang ihr Schatten sein. Und wenn ein Mensch im Lager Batangas verschwindet, gibt es zwar große Aufregung und schärfere Bewachung, aber große Fragen stellt man nicht. Wen sollte man auch fragen? Eine Frau ist weg, wird mitgelaufen sein mit einem Kerl, der sie über den Zaun holte. »Ich habe Sprechstunde«, sagte Hung. »Außerdem ist Alarm. Ich muß an Deck.«
    »Du bleibst.« Ein Ton war in Xuongs Stimme, der Hungs Beine lähmte, er blieb wie angepflockt stehen. Aber seine Augen wurden jetzt schmal, und die Fettpolster, in denen sie lagen, verzerrten sich. »Stimmt es, daß Ut Schmerzen wegstreicheln kann?«
    »Ja, Lehrer.«
    »Du hast es mit eigenen Augen gesehen?«
    »Auf dem Bildschirm im Nebenzimmer. Mit einer heimlichen Kamera hat man es aufgenommen.« Hoffnung glomm in Hungs aufgeschwemmtem Gesicht auf. »Das kann nur eine vom Teufel Besessene.«
    »Oder eine von Gott Auserwählte.« Xuong beugte sich zu den Kindern hinunter und streckte ihnen die flache Hand entgegen, so wie man einem Hund zeigt, daß man ihn nicht angreifen will. Und wie ein Hund, der sich vorsichtig sichernd nähert und die Hand beschnuppert und ganz kurz beleckt, löste sich der Junge von seinen Geschwistern und berührte mit seinen Fingerspitzen die Finger des Lehrers. Ein schwaches Lächeln zog über das kleine, schon so alt wirkende Gesicht. »Ihr kommt mit mir.«
    »Wir warten hier auf unsere Mutter.«
    »Ich bringe euch zu eurer Mutter.«
    »Das hat der dicke Mann dort auch gesagt. Und dann hat er mich geschlagen.«
    »Niemand wird dir und deinen Schwestern mehr etwas tun.« Xuong sah Hung mit einem harten Blick an. »Du hast ihn geschlagen?«
    »Er hatte mich angespuckt«, log Hung. Der Junge starrte ihn ängstlich an und wagte nicht zu sagen, daß der dicke Mann wieder log.
    »Komm, steh auf.« Xuong streckte wieder die Hand aus. Der Junge zog schnell seine Finger zurück und umfaßte wieder seine Geschwister.
    »Du lügst auch!« stieß er hervor. »Wir bleiben hier.«
    »Eure Mutter wartet auf euch.«
    »Das ist nicht wahr. Sie hat gesagt, wir sollen hier warten, bis sie kommt.«
    »Sie hat mich zu euch geschickt.«
    »Nein! Sie soll selbst kommen.«
    »Ich bringe euch zu ihr. Sie wartet auf euch.«
    »Warum kommt sie nicht selbst?« Der Junge zog die beiden Mädchen noch enger an sich. Das Kleinste begann jetzt zu weinen und drückte sein Gesicht in die Achsel ihres Bruders. »Sie soll kommen. Wir gehen nicht mit dir mit.«
    »Sag' ich's nicht, Xuong! Es sind kleine Teufel.« Hung rieb die Hände aneinander, sie waren schweißnaß vor Aufregung. »Wir wollen ihnen helfen, aber sie spucken und beißen und glauben selbst dir nicht. Du wirst Ut rufen müssen.«
    »Nein. Hier bei euch ist sie nicht mehr sicher. Wie schnell ist ein Unfall vorgetäuscht. Ein Unfall, den man nie beweisen kann. Le Quang Hung, du hast zwei Gesichter.«
    »Jeder Mensch hat zwei Gesichter, zwei Herzen und zwei Seelen. Warum ist soviel Elend auf der Welt, Lehrer? Soll ich's dir sagen: Weil der Mensch wie die Zunge einer Schlange ist, gespalten, doppelzüngig, unberechenbar.« Hung faltete die Hände über dem oberhalb des Gürtels hervorquellenden Bauch. »Ut kommt nicht hierher

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