Das goldene Ufer
hatte.
Seit jenem Fest vor einem guten Jahr, bei dem Gräfin Elfreda Wünsche verspürt hatte, die nicht zu einer treu sorgenden Ehefrau und Mutter passten, hielt sie sich von dem Förster fern. Jetzt aber brauchte sie ihn, um den Verkauf des Holzes durchführen zu können.
Sie hatte Diebold von ihren Plänen berichtet und in dem Zusammenhang erwähnt, dass der Förster im Auftrag ihres Gemahls Käufer für die zu schlagenden Bäume in Bremen suchen sollte. Im gleichen Brief hatte sie ihm die von ihr erwählte Braut beschrieben, die nicht nur schön und sittsam sei, sondern ihm eine gehorsame Ehefrau und ihr eine brave Schwiegertochter sein würde. Elfreda von Renitz hoffte, dass Diebold den Anstand besaß, seiner Braut und deren Eltern einen Höflichkeitsbesuch auf deren Besitz in der Nähe von Magdeburg abzustatten. Umso überraschter war sie, als sechzehn Tage nach Walthers Abreise eine Kutsche zum Vorplatz des Schlosses herauffuhr und ihr Sohn ausstieg.
Diebold blieb vor dem Schloss stehen, dessen uneingeschränkter Eigentümer er in nicht allzu langer Zeit zu werden hoffte, und ging dann mit dem über die Schulter gelegten Stockdegen auf die Freitreppe zu, die zum Haupteingang hochführte. Ein Diener öffnete ihm und verbeugte sich tief. Da alle auf Renitz den schlechten Gesundheitszustand des alten Grafen kannten, war ihnen bewusst, dass Renitz’ Sohn bald der neue Herr sein würde. Dann mochte Graf Diebold sich daran erinnern, wer ihm mit der von ihm geforderten Ehrfurcht entgegengetreten war und wer nicht.
Anders, als der Diener hoffte, interessierte Diebold sich nicht für ihn, sondern durchquerte die Vorhalle und stieg die Treppe zu den Gemächern seiner Mutter empor. Deren Zofe begrüßte ihn mit einem Knicks und ließ ihn ein. Der junge Renitz beachtete sie ebenso wenig wie den Diener, sondern blieb neben dem Sessel seiner Mutter stehen und deutete eine Verbeugung an.
Die Gräfin musterte ihn indigniert. »Du, mein Sohn? Das überrascht mich! Ich dachte, du wärst noch auf Reisen.«
»Gewissermaßen bin ich das auch. Ich mache hier nur Zwischenstation. Schon in ein oder zwei Tagen will ich nach Magdeburg weiterreisen, um Graf und Gräfin Rossipaul und natürlich Comtesse Aldegund meine Aufwartung zu machen.«
Obwohl Diebolds Stimme keinen Aufschluss gab, ob er diese Fahrt gerne unternahm oder nicht, atmete seine Mutter auf. Wie es aussah, hatte er sich mit der von ihr arrangierten Ehe abgefunden.
»Das freut mich, mein Sohn. Sei mir daher doppelt willkommen!«
Die Gräfin stand auf, reichte ihrem Sohn die Hand zum Kuss und sah ihn lächelnd an. »Du siehst gut aus. Comtesse Aldegund kann sich glücklich schätzen, dich zum Mann zu bekommen.«
»Das will ich hoffen! Immerhin bin ich der nächste Graf auf Renitz und zudem ein Kriegsheld aus der Schlacht von Waterloo.«
In vielen Gesprächen hatte Diebold seine Rolle in dieser Schlacht so dargestellt, als hätte er nicht nur ein Dutzend Franzosen getötet, sondern auch seinem Vater das Leben gerettet. Aber er war sich bewusst, dass es Zeugen gab, die sein Lügengebäude ins Wanken bringen konnten. Auf Renitz lebte einer von ihnen, nämlich Walther Fichtner, und ihm würde man Glauben schenken.
Also musste er diesen Kerl so weit ducken, dass dieser es niemals wagen würde, auch nur ein Wort gegen ihn zu sagen.
»Was ist eigentlich mit dem Förster, liebste Frau Mama? Weshalb hast du ihn überhaupt nach Bremen geschickt? Dies ist eine Aufgabe, die einen Mann mit mehr Wissen und Verstand erfordert als ihn.«
Seine Mutter hätte ihm sagen können, dass Walther sehr wohl der Mann war, dem man eine solche Sache anvertrauen konnte.
Um Diebold nicht zu verärgern, antwortete sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Fichtner soll nur erkunden, welche Leute Holz aufkaufen und was es derzeit in Bremen wert ist. Die eigentlichen Verhandlungen werde ich selbst führen!«
Sie verschwieg ihm, dass sie dazu Walthers Unterstützung benötigte, und war auch deshalb froh, als Diebold ankündigte, nur wenige Tage bleiben zu wollen.
»Wie ich schon sagte, will ich den Besitz des Grafen Rossipaul aufsuchen, liebste Frau Mama. Danach werde ich nach Berlin reisen, denn ich will den Rock, den ich bei meiner Vermählung tragen werde, von einem guten Schneider arbeiten lassen.«
»Vorher solltest du deinen Vater begrüßen«, wandte die Gräfin ein, die sich nicht zum ersten Mal über den Egoismus ihres Sohnes ärgerte.
»Aber selbstverständlich!«
Mit diesen
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