Das goldene Ufer
muss sie großartig werden.«
»Wie es heißt, soll Graf Diebold erst kurz vor seiner Vermählung von seiner Reise zurückkommen«, erklärte Gisela nachdenklich.
»Nur aus diesem Grund habe ich mich bereit erklärt, den Auftrag zu übernehmen. Wäre Diebold hier, würde ich dich nicht alleine lassen. Ich traue dem Mann nicht.« Walther atmete tief durch und zog Gisela an sich. »Ich tue das alles doch nur für uns beide!«
»Das weiß ich, aber …« Gisela brach ab und senkte den Kopf. Plötzlich stiegen ihr die Tränen in die Augen. »Du bist so gut zu mir! Dabei verdiene ich das gar nicht.«
Walther nahm ihre Hände in die seinen und sah sie an. »Unsinn! Du verdienst viel, viel mehr, als ich dir bieten kann. Aber ich werde dir, wenn wir erst in Amerika sind, ein kleines Paradies schaffen. Das verspreche ich dir! Es mag ein beschwerlicher Weg sein, doch irgendwann werden wir jenseits des Ozeans als freie Menschen leben, die sich nicht mehr ducken müssen, wenn ein Diebold an einem vorbeireitet.«
»Zum Glück ist er in den letzten Jahren nur ein Mal auf Renitz gewesen. Doch mich fröstelt immer noch, wenn ich an den drohenden Blick denke, mit dem er uns bedacht hat.« Im gleichen Moment begriff Gisela, dass die Entscheidung für Amerika bereits gefallen war.
Für Walther gab es noch einen weiteren Grund, Renitz zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu verlassen. Die Gräfin hatte Gudula von Techans Nichte für wert befunden, die Gemahlin ihres Sohnes zu werden. Mit der Braut würde auch deren Tante nach Renitz kommen, und der wollte er nie mehr begegnen. Daher war er froh, dass Gisela endlich Vernunft annahm.
Er umarmte sie. »Ich bin glücklich, dich zu haben.«
»Ich bin ebenfalls glücklich mit dir. Mir ist nur ein wenig bange, wenn du so lange fortbleiben musst.«
»Es sind doch nur zwei oder drei Wochen. Wenn ich die Verhandlungen in Bremen zur Zufriedenheit Ihrer Erlaucht führe, erhalte ich vielleicht sogar eine Prämie. Dann könnten wir Renitz noch früher verlassen.«
»Aber dazu bräuchten wir doch Pässe und dergleichen.«
Mit einem Lächeln zog Walther ein Papier aus seiner Westentasche und zeigte es ihr. »Das ist mein Pass. Ausgestellt auf Anweisung Ihrer Erlaucht, damit ich diese Reise unternehmen kann. Ich habe die Handschrift, mit der das Dokument erstellt worden ist, immer wieder geübt und glaube, den Satz ›reist mit seiner Ehefrau‹ hinzufügen zu können, ohne dass ein Gendarm oder ein Zöllner etwas merkt.«
Gisela schnaufte erschrocken. »Aber das ist doch verboten!«
»Es ist vieles verboten, und man muss es trotzdem tun, wenn man nicht untergehen will.« Walther füllte die Münzen wieder in einen Lederbeutel, legte ihn unter ein loses Brett im Schlafzimmer und stellte die Truhe darauf, in der sich die Besitztümer befanden, die er mit nach Amerika nehmen wollte.
Lächelnd wandte er sich an seine Frau, die in der Tür stehen geblieben war. »Wenn ich morgen abreise, sollten wir den heutigen Tag nützen, findest du nicht auch?«
Die Aufforderung zur ehelichen Pflicht war unverkennbar, dennoch zögerte Gisela, ihr zu folgen. Es war noch heller Tag, und sie hielt es für Sünde, wenn ein Mann – und sei es auch der eigene – sie nackt oder zumindest mit entblößtem Unterleib sehen konnte. Als Walther jedoch fordernd winkte, folgte sie seiner Bitte. Allerdings kehrte sie ihm den Rücken zu, während sie Kleid und Unterröcke auszog. Das Hemd behielt sie an und kroch schnell unter die Bettdecke.
Walther lächelte nachsichtig, während er sich auszog. Kurz überlegte er, ob er die Bettdecke wegziehen sollte, entschied sich aber dagegen. Das Wichtigste in einer Ehe war Vertrauen, und das wollte er nicht leichtfertig verspielen. Daher schlüpfte er zu Gisela unter die Decke, kitzelte sie ein wenig am Bauch und schob sich schließlich auf sie. Die Wärme seines Körpers und seine Rücksichtnahme auf ihre Gefühle brachten Gisela dazu, sich rasch zu entspannen, und sie genoss seine Nähe ebenso wie sonst in der Nacht.
2.
A m nächsten Morgen brach Walther mit einigen Empfehlungsschreiben der Gräfin und ihres Gemahls versehen auf. Vorher hatte er Elfreda von Renitz noch eine Liste mit der Anzahl an Arbeitskräften, Zugtieren und Werkzeugen übergeben, die seiner Meinung nach für die Arbeit im Wald notwendig waren. Wie es ihre Gewohnheit war, hatte sie ihn knapp und hochmütig abgefertigt. Niemals hätte Walther geglaubt, dass er für kurze Zeit verbotene Gefühle in ihr geweckt
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