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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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der Treppe traf er Imma und fragte sie nach seiner Frau. Die Magd wies mit einer empörten Geste in Richtung Küche. »Sie ist bei der Köchin! Die beiden sitzen einfach da und schwatzen.«
    »Danke!« In der Küche sah er Gisela mit Cäcilie am Tisch sitzen und aus Tonbechern Fruchtwein trinken, während die Küchenmägde am Herd standen und die Töpfe und Pfannen überwachten.
    Als die beiden Walther sahen, wurde Gisela verlegen, während Cäcilie ihn fröhlich anlächelte. »Na, was führt dich am helllichten Tag hier herein? In den letzten Wochen bist du ja kaum aus deinem Wald herausgekommen.«
    »Der Holzeinschlag ist Gott sei Dank erledigt. Ich muss jetzt nur noch einmal mit dem Aufkäufer sprechen und ihm die Abschlussrechnung übergeben. Dann ist dieses Kapitel unseres Lebens abgeschlossen.« Walther dachte dabei an die Zeit auf Renitz, während die Köchin glaubte, er würde damit nur den Holzverkauf meinen.
    »Du bist wohl sehr froh, dass du es geschafft hast!«, sagte sie.
    Gisela hatte Walthers Bemerkung richtig gedeutet und war ebenso erleichtert wie erschrocken. Zwar zitterte sie noch immer bei dem Gedanken, ein Schiff besteigen zu müssen, welches über ein Wasser fuhr, das noch viel breiter war als die Beresina, in der so viele brave Soldaten auf dem Rückzug ertrunken waren. Aber hierbleiben und ein Kind zur Welt bringen, das Diebolds Ebenbild sein konnte, war unmöglich.
    »Wie lange wirst du ausbleiben?«, fragte sie Walther leise.
    »Ich hoffe, in vier Tagen wieder hier zu sein.«
    »Vier Tage? Das geht!« Mit einem Aufatmen dachte Gisela daran, dass Diebold noch etwa drei Wochen ausbleiben würde, und bis dorthin hatten Walther und sie Renitz verlassen.
    Walther fasste ihre Hände und drückte sie sanft. »Ich werde mich beeilen!«
    »Und ich jede Minute auf dich warten. Wenn du kommst … werde ich froh sein, dich wieder länger als nur ein paar Minuten am Tag zu sehen.«
    Eigentlich hatte Gisela sagen wollen: Wird schon fast alles für unsere Abreise bereit sein! Aber das hätte Cäcilie auffallen können.
    In Gedanken beschäftigte sie sich immer wieder mit dieser langen, gefährlichen Reise in die Neue Welt. Sie hatte den Leitfaden für Auswanderer mittlerweile ebenfalls gelesen und wusste, was sie auf ein Schiff mitnehmen durften. Es war erbärmlich wenig und musste zudem gut verpackt werden, um vor den Ratten sicher zu sein. Auch vor diesem Ungeziefer grauste ihr. Da sie sich jedoch keine Flügel wachsen lassen konnte, die sie nach Amerika trugen, blieb ihr nur, ein Schiff zu besteigen und die Beschwerden und Gefahren der Reise zu ertragen.
    »Auf Wiedersehen, Walther!«, sagte sie lächelnd.
    »Auf Wiedersehen! Auch dir sage ich auf Wiedersehen, Cäcilie. Grüßt Frau Frähmke herzlich von mir. Ich habe leider nicht die Zeit, sie zu suchen. Ihre Erlaucht will, dass ich heute noch abreise!«
    »Heute schon? Ich dachte, du müsstest noch in den Forst!« Im ersten Augenblick war Gisela enttäuscht, dann aber sagte sie sich, dass Walther umso schneller zurück sein würde, und schloss ihn kurz in die Arme. Versonnen sah sie zu, wie er mit festen Schritten die Küche verließ.
    »Hast du es ihm eigentlich schon gesagt?«, fragte Cäcilie neugierig.
    »Nein. Ich will erst ganz sicher sein und auch ein wenig mehr Zeit zum Reden haben, anstatt es jetzt zwischen Tür und Angel zu tun.«

12.
    D rei Tage später kam Diebold zurück. Da seine Zimmer immer für ihn bereitstehen mussten, hatte die Gräfin es nicht für nötig befunden, dies den Dienstboten mitzuteilen. Daher wurde auch Gisela völlig überrascht, als sie die Vorhalle durchquerte und plötzlich sein Schatten auf sie fiel.
    »Wen haben wir denn da? Die schöne Försterin!«, sagte Diebold in dem näselnden Ton, den er als vornehm empfand.
    Gisela erschrak bis ins Mark und huschte, so rasch sie konnte, an ihm vorbei. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie vermochte kaum mehr zu atmen. Erst als sie draußen auf dem Vorplatz stand, bekam sie wieder Luft. Ein Teil ihrer selbst drängte danach, ins Schloss zurückzukehren und Diebold anzuklagen. Aber das hätte sie sofort tun müssen, nachdem er sie geschändet hatte. Da nun einige Wochen vergangen waren, würden ihr noch weniger Menschen Glauben schenken.
    Mit Tränen in den Augen stolperte sie einige Schritte blind vorwärts. »Halt! Es nutzt dir gar nichts, wenn du wegen dieses Lumpen gegen einen Baum oder einen Pfosten läufst«, sagte sie sich und blieb stehen, um sich die Augen

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