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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Gräfin aufmerksam werden zu lassen.
    »Warst du mit ihm in der Nacht zusammen?«
    »Nein, war ich nicht. Ihr habt es mir ja verboten. Aber ich …« Imma stockte, doch die Gräfin ließ nicht locker.
    »Was?«
    »Vielleicht ist er ins Forsthaus gegangen. Auf die Försterin war er schon lange aus.«
    Die besorgten Züge der Gräfin entspannten sich. Auch wenn sie nicht alles guthieß, was ihr Sohn tat, so war ein Verhältnis zu einem Dienstboten – und zu denen zählte sie auch Gisela – nur eine lässliche Sünde. Trotzdem wollte sie Gewissheit haben.
    »Jemand von euch geht zum Forsthaus und sieht nach!«, befahl sie.
    »Das übernehme ich!«, sagte Luise Frähmke, die innerlich vor Angst um Gisela zitterte. Da Walther im Auftrag der Gräfin nach Bremen geritten war, befand die junge Frau sich ganz allein im Forsthaus, und dies mochte der junge Graf ausgenützt haben. Luise Frähmke bedauerte, dass sie daran nicht gedacht hatte, doch so viel Schlechtes hatte sie Diebold nicht zugetraut. Da sie sich erst selbst ein Bild machen wollte, brach sie allein zum Forsthaus auf und betete zum Heiland im Himmel, dass ihr Verdacht sich als falsch erweisen möge.
    Bei Giselas und Walthers Zuhause angekommen, fiel ihr sogleich die zertrümmerte Tür ins Auge, und sie erschrak bis ins Mark. Nur langsam wagte sie sich näher und trat ein. Wegen der geschlossenen Läden war es innen dunkel wie in einer Höhle und so still wie in einer Gruft.
    »Gisela, bist du da?«, fragte Luise Frähmke mit zittriger Stimme. Es kam keine Antwort.
    Da ihre Augen sich inzwischen an das spärliche Licht gewöhnt hatten, das durch die Türöffnung hereinfiel, trat sie ans nächste Fenster und öffnete die Läden.
    Es wurde schlagartig hell im Raum, und sogleich fiel der Mamsell die aufgesprengte Tür der Schlafkammer auf. Sie eilte hinein und öffnete auch dort die Fensterläden.
    Außer ihr war niemand im Haus. Seltsamerweise stand jedoch die Falltür zum Keller offen, und in einer Ecke lag eine Axt auf dem Boden. Verwundert rieb Luise Frähmke sich über die Stirn. Konnte Gisela vor dem jungen Renitz in den Wald geflohen sein? Dieser hätte sie jedoch mit Sicherheit verfolgt und zu unziemlichen Dingen gedrängt.
    Da blieb ihr Blick an einem feuchten Fleck auf dem Boden haften, an dem jemand herumgeschrubbt hatte. Noch während sie sich klarmachte, dass es sich um Blut handeln musste, entdeckte sie Einschusslöcher in der Wand, die so aussahen, als hätte ein Teil der Ladung ihr Opfer verfehlt. Entsetzt wich sie zur Tür des Schlafzimmers zurück. Gisela, sagte sie sich, hatte sich Diebolds nicht anders erwehren können, als mit der Büchse ihres Mannes auf ihn zu schießen. Die Waffe selbst aber war nirgends zu sehen.
    Luise Frähmke stellte fest, dass Giselas neues Kleid und einiges an Unterwäsche fehlte. Wie es aussah, hatte ihre junge Freundin Graf Diebold niedergeschossen, einige Sachen zusammengerafft und war dann geflohen.
    Die Mamsell wusste nicht, was sie tun sollte. Da es ihr davor grauste, länger im Forsthaus zu bleiben, verließ sie es und kehrte mit müden Schritten zum Schloss zurück.
    Dort hatte die Gräfin sämtliche Bediensteten aufgescheucht und sogar den Verwalter und Knechte vom Gut kommen lassen. Als sie Luise Frähmke entdeckte, eilte sie auf diese zu.
    »Und, was ist? War mein Sohn im Forsthaus?«
    Gewohnt, ihrer Herrin zu gehorchen, wagte die Mamsell nicht, etwas zu verschweigen, das ohnehin bald offenbar werden musste. »Ich kann es nicht sagen. Etwas Schreckliches muss dort geschehen sein. Es war niemand zu sehen, aber auf dem Boden ist Blut vergossen worden.«
    »Blut sagst du?« Elfreda von Renitz starrte die Frau ungläubig an und wandte sich an den Gutsverwalter. »Sehen Sie nach, was geschehen ist, und finden Sie meinen Sohn!«
    »Sehr wohl, Euer Erlaucht!« Der Mann verneigte sich und ging mit raschen Schritten davon. Kurz darauf erklang seine Stimme auf dem Vorplatz, und Luise Frähmke bekam mit, dass Pferde gesattelt wurden und mehrere Männer losritten. Sie zog sich in die Nähkammer zurück und faltete die Hände zum Gebet. Allerdings wusste sie nicht, worum sie die Himmelsmächte bitten sollte. Letztlich blieb ihr nur die vage Hoffnung, dass Gisela in Sicherheit war.

2.
    D iebold blieb verschwunden, und bis zum späten Nachmittag gab es keine weiteren Nachrichten. Zu dem Zeitpunkt erschien einer der Nachbarn mit einem zweiten Pferd am Zügel vor dem Schloss. Kaum hatte ihre Zofe die Gräfin auf den Mann

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