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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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wandte er sich Walther wieder zu.
    »Wie soll ich Sie in meine Liste eintragen?«
    Zuerst wollte Walther den Namen nennen, der jetzt in seinem Pass stand, lächelte dann jedoch melancholisch. »Thode, Stephan Thode!«
    So nahe an Renitz wollte er den neuen Namen noch nicht benützen, denn er hielt es für gewiss, dass die preußischen Behörden auch hier nachfragen würden, ob er und Gisela gesehen worden wären. Dies hätte die Verfolger auf ihre Spur bringen können. Den Namen Artschwager würde er frühestens ab Kassel verwenden. Bis dorthin durfte jedoch niemand seinen Pass sehen wollen. Gisela und er würde deshalb an der letzten Hannoverschen Poststation vor dem Kurfürstentum Hessen aussteigen und sich bei Nacht und Nebel über die Grenze schleichen müssen. Auch würden sie ihr Aussehen verändern müssen, um nicht aufgrund irgendwelcher Steckbriefe erkannt zu werden.
    Vorerst war er einfach nur erleichtert, dass er Gisela in die Kutsche helfen und sich selbst zum Postillion auf den Bock schwingen konnte. Als schließlich der helle Ton des Posthorns ihre Abfahrt ankündigte und die Pferde sich ins Geschirr legten, sagte Walther sich, dass der erste Teil ihrer Flucht gelungen war. Wenn ihnen jetzt noch der Heiland und seinetwegen auch Giselas Heilige Jungfrau Maria beistanden, war es ihnen sogar möglich, bis nach Amerika zu kommen und in Sicherheit zu sein.
    Gisela war so erschöpft, dass sie den freien Platz auf der linken Kutschenseite gegen die Fahrtrichtung einnahm, ohne ihren Mitreisenden auch nur einen einzigen Blick zu schenken. Die Augen fielen ihr zu, und ehe sie sich’s versah, schlief sie ein und wachte auch nicht auf, wenn die Kutsche durch ein Schlagloch rumpelte.
    Im Gegensatz zu seiner Frau fand Walther keine Ruhe. Er musste sich oben festhalten, da der Postillion die Pferde in einem flotten Trab laufen ließ, um die bei der letzten Rast verlorene Zeit aufzuholen. Auch hatte der Mann, wie er sagte, nichts dagegen, ein paar Minuten früher anzukommen.
    »Habe dann mehr Zeit, mein Bier zu trinken und etwas Speck zu essen«, erklärte er Walther. »Dabei ist es im Grunde unerheblich, ob wir Göttingen und Kassel eine Stunde eher erreichen oder nicht. Aber die beiden Herren, die mit in der Kutsche sitzen, wollen unbedingt, dass wir den Fahrplan einhalten. Reine Schikane ist das, sage ich Ihnen! Dabei zahlen die auch nicht mehr als die anderen, und das Trinkgeld, das sie mir versprochen haben, will ich erst einmal sehen.«
    »Fahren Sie bis Kassel durch?«, fragte Walther erstaunt.
    »Nie und nimmer! Beim nächsten Pferdewechsel übergebe ich das Gespann und lege mich erst einmal ein paar Stunden aufs Ohr, bis ich dann mit der Nachtpost nach Braunschweig zurückfahre.«
    Walther war diese Entwicklung ganz recht, denn ein anderer Postillion würde nicht fragen, weshalb Gisela und er unterwegs aussteigen wollten. Da der Mann auskunftsfreudig war, befragte er ihn nach den einzelnen Postkutschenlinien und beschloss, nicht auf geradem Weg nach Kassel zu reisen, um mögliche Verfolger zu verwirren. Bevor sie diese Stadt erreichten, wollte er sich außerdem einen Koffer besorgen, in den seine Büchse passte. Solange er sie offen über der Schulter trug, würde sich jeder an ihn erinnern, und dann war es für die Behörden ein Leichtes, Gisela und ihn aufzuspüren.

Siebter Teil
    Vom Schicksal getrieben
    1.
    D iebold von Renitz wurde zwar beim Abendessen vermisst, doch seine Mutter dachte sich nichts weiter dabei. Sie vermutete ihn im Dorf oder bei einem Nachbarn. Erst als er am nächsten Morgen nicht zum Frühstück erschien, wurde Gräfin Elfreda unruhig.
    »Sieh nach, ob Graf Diebold in seinen Gemächern ist«, forderte sie ihre Zofe auf.
    Diese eilte davon, kam aber ebenso schnell wieder zurück. »Ich bedauere, Euer Erlaucht mitteilen zu müssen, dass der junge Herr sich nicht in seinen Räumen befindet und dem Anschein nach die Nacht nicht in seinem Bett verbracht hat.«
    »Ihm wird doch nichts zugestoßen sein! Hätte er anderswo übernachtet, hätte er mir gewiss Bescheid gegeben«, antwortete die Gräfin besorgt.
    Ihre Zofe war zwar anderer Meinung, enthielt sich aber jeden Kommentars, sondern rief auf Befehl ihrer Herrin etliche Bedienstete in den Salon.
    »Hat jemand von euch den jungen Herrn gesehen?«, fragte die Gräfin, als die Ersten in den Raum traten.
    Die meisten schüttelten den Kopf. Nur Imma öffnete kurz den Mund, schloss ihn aber sofort wieder. Es hatte jedoch gereicht, um die

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