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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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aufmerksam gemacht, begab diese sich auf den Vorplatz, um zu hören, welche Neuigkeiten der Mann mitbrachte.
    Der Nachbar war nicht von Adel, und Gräfin Elfreda hatte ihn bislang nicht einmal eines Kopfnickens gewürdigt. Daher fiel sein Gruß eher linkisch aus. »Euer Erlaucht mögen die Störung verzeihen. Als ich vorhin nach meinen Zuchtstuten schauen wollte, graste dieses Pferd auf der anderen Seite des Pferchs, und ich konnte das gräflich-Renitzsche Brandzeichen erkennen. Da habe ich mir gedacht, ich bringe den Ausreißer wieder zurück.«
    Verwirrt starrte die Gräfin das Pferd an. Einer der Knechte, die in der Nähe bereitstanden, stieß einen überraschten Ruf aus. »Das ist doch der Wallach, mit dem Fichtner nach Bremen reiten wollte, um mit Herrn Steenken den Verkauf abzuschließen.«
    »Jo, das ist er«, stimmte ihm ein anderer Knecht zu. »Aber um mit dem Herrn Steenken zu reden, hat der Förster nicht gleich bis nach Bremen reiten müssen. Der Herr Steenken war nämlich in Celle. Da hab ich ihn selber gesehen, als ich geholfen habe, die letzten Stämme dorthin zu bringen.«
    Die Gräfin schüttelte den Kopf, als könne sie es nicht begreifen. Gleichzeitig erfasste sie eine fürchterliche Angst. Was war, wenn Walther von Celle zurückgekehrt war und ihren Sohn bei seiner Frau entdeckt hatte?
    Noch während sie gegen ihre schreckliche Ahnung ankämpfte, sah sie den Verwalter auf das Schloss zukommen. Er führte mit einer Hand sein Pferd am Zügel und hielt in der anderen seinen Hut. Vier Knechte folgten ihm mit einer provisorischen Bahre, auf der ein zugedeckter Körper lag.
    Mit gesenktem Kopf blieb der Verwalter vor seiner Herrin stehen. »Ich bin zutiefst erschüttert und versichere Eurer Erlaucht meiner aufrichtigsten Anteilnahme. Wir haben Graf Diebold in der Nähe des Forsthauses unter einem Haufen Reisig versteckt gefunden. Er ist tot!«
    »Tot?« Die Gräfin schrie auf wie ein verwundetes Tier und starrte die Bahre an. Ein Knecht schlug das Tuch zurück, so dass die Gräfin den blutigen Leichnam sehen konnte.
    Nun klang die Stimme der Gräfin nicht mehr wie die eines Menschen. »Mein Sohn tot? Das hat dieser verfluchte Fichtner getan. Mein Gemahl hat ihn und seine katholische Metze zu unserem Unglück ins Haus geholt. Gott verdamme sie beide!«
    Elfreda von Renitz beließ es jedoch nicht nur bei Verwünschungen, sondern sah den Verwalter hasserfüllt an. »Sie reiten sofort in die Kreisstadt und melden diesen ruchlosen Mord bei den Behörden. Ich will, dass der Förster und sein Weib dafür zur Rechenschaft gezogen werden.«
    »Sehr wohl, Erlaucht!« Der Verwalter war froh, das Schloss verlassen zu können, auch wenn er sein Ziel erst in tiefster Dunkelheit erreichen würde.
    Die Gräfin kehrte mit schleppenden Schritten ins Schloss zurück und stieg die Treppe zu den Gemächern ihres Mannes hinauf. Dessen Kammerdiener öffnete ihr die Tür und ließ sie ein.
    Mit düsterer Miene blieb die Gräfin vor dem eingeschrumpften Greis stehen, der immer noch der Herr auf Renitz war.
    »Unser Sohn ist tot!«, sagte sie leise.
    Medard von Renitz hob mühsam den Kopf und blickte zu ihr auf. »Es ist das Schicksal jedes Soldaten, in der Schlacht fallen zu können. Daher wollen wir Diebolds Tod nicht beklagen, sondern stolz sein, dass er im Dienst für Kaiser und Vaterland gefallen ist.«
    »Begreift Ihr nicht? Er wurde ermordet!« Die Gräfin packte ihren Mann und schüttelte ihn.
    Da schob sein Kammerdiener sie zurück. »Ihr solltet jetzt gehen, Erlaucht. Seine Erlaucht brauchen Ruhe. Vielleicht könnt Ihr morgen mit ihm sprechen. Heute weilt sein Geist in vergangenen Zeiten. So hat er mir befohlen, seine Uniform bereitzulegen, damit er morgen sein Regiment gegen Napoleon führen kann.«
    »Ihr seid elende Narren, alle beide!«, schrie Gräfin Elfreda mit sich überschlagender Stimme und verließ wuterfüllt den Raum.

3.
    L uise Frähmke brauchte dringend einen Menschen, mit dem sie reden konnte, und es gab im ganzen Schloss nur eine Person, der sie vertraute, nämlich die Köchin Cäcilie. Diese saß in ihrer Küche, ohne sich um ihre Helferinnen zu kümmern, die das Abendessen vorbereiteten. Als sie die Mamsell sah, stand sie auf und führte diese in den Vorratsraum, um mit ihr allein zu sein.
    »Glauben Sie auch das, was ich glaube?«, fragte sie bedrückt.
    »Und was glaubst du?«, antwortete Luise Frähmke mit einer Gegenfrage.
    »Meiner Meinung nach ist Graf Diebold in das Forsthaus eingedrungen und

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