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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Folge über den Himmel zuckten, erhellten für Augenblicke den Wagenkasten, so dass die Passagiere vor Schreck die Augen schlossen.
    Trotz der schlechten Sichtverhältnisse trieb der Postillion seine Pferde zu höchster Geschwindigkeit an. Dabei brüllte er, als würde er am Spieß stecken. In der Kutsche begannen die beiden Französinnen laut zu beten, und einer der vier Männer stimmte darin ein. Gisela verstand das Gebet trotz der fremden Sprache und fiel auf Deutsch mit ein.
    Walther blickte mit zusammengekniffenen Lidern ins Freie. Der Himmel über ihnen war schwarz wie die Hölle, und er fragte sich, wie der Postillion in dieser Finsternis die Straße erkennen wollte. Ein ähnliches Unglück wie das bei Kassel schien ihm nur noch eine Frage der Zeit.
    »Halte dich gut an mir fest«, forderte er Gisela auf.
    Bei dem infernalischen Lärm der Donnerschläge musste er schreien, damit sie ihn verstand. Gisela war froh, sich an ihn klammern und ihr Gesicht gegen seine Schulter pressen zu können, damit sie das teuflische Leuchten der Blitze nicht mehr sehen musste. Immer wieder vernahmen sie jenes Krachen, welches anzeigte, dass ein Blitz in einen Baum oder ein Gebäude eingeschlagen hatte. Noch immer war es draußen knochentrocken, doch die Wolken über ihnen sahen so aus, als wollten sie eine neue Sintflut über die Menschheit entleeren.
    Erneut krachte es vor ihnen. Mit einem schrillen Schrei zügelte der Postillion das dahinjagende Gespann etwas und lenkte es haarscharf an einem niederstürzenden Baum vorbei. Zweige scharrten an dem Kutschkasten entlang und ließen ihn schwanken. Dies erschreckte die eifrigen Beter so, dass sie für eine Weile verstummten.
    Obwohl die Kutsche bedenklich schwankte, gelang es dem Postillion, sie auf der Straße zu halten. Erneut rief er etwas, diesmal klang es erleichtert. Gleichzeitig stemmte er sich gegen das Bodenbrett des Kutschenschlags und zog die Zügel kräftig an. Zuerst sah es so aus, als könnte er die schier kopflos dahinrasenden Pferde nicht zum Halten bringen. Dann aber wurden die Tiere doch langsamer, und er lenkte das Gespann im leichten Trab durch eine Hofeinfahrt. Es war, als habe der Wettergott genau auf diesen Augenblick gewartet, denn die Schleusen des Himmels öffneten sich, und ein Wolkenbruch ging nieder.
    Walther steckte trotzdem den Kopf zum Schlag hinaus und nahm mehrere Gebäude und ein im Sturm schwingendes Wirtshausschild wahr.
    »Wie es aussieht, haben wir einen Gasthof erreicht«, sagte er erleichtert zu Gisela.
    Sie starrte in den strömenden Regen hinaus und sah Männer auf die Kutsche zueilen, die mit ihren voluminösen Strohüberwürfen wie Dämonen aus einer anderen Welt wirkten. Daher zuckte sie zurück, als einer von ihnen ihr die Hand entgegenstreckte. Erst als die dicke Passagierin sich an ihr vorbeischob, schwer atmend ausstieg und sich von dem Helfer im Schutz seines Mantels ins Trockene führen ließ, fasste auch sie sich ein Herz und verließ die Kutsche.
    Kurz darauf hatten sich die Passagiere in der Gaststube versammelt. An deren Seitenwand stand ein Herd, von dem die Flammen beinahe bis zur Decke hochschlugen. Die Wärme war allen willkommen, doch sie wurden von der Wirtin mit schriller Stimme beiseitegescheucht.
    Nun sahen Gisela und Walther die beiden Kaninchen, die an Bratspießen über dem Feuer brutzelten. Die Wirtin bat zwei der Ankömmlinge, die Spieße zu drehen, und wandte sich dann den übrigen zu. Was sie sagte, konnten Gisela und Walther nicht verstehen. Die anderen nickten und setzten sich an einen Tisch. Walther und Gisela blieben stehen und sahen sich jetzt der Wirtin gegenüber, die wortreich auf den zweiten Tisch wies.
    »Sie will anscheinend, dass wir uns setzen«, sagte Gisela und ließ sich von Walther an den Tisch führen. Er half ihr, auf der Bank Platz zu nehmen, die noch ein wenig vom Feuer gewärmt wurde.
    Die Wirtin nickte zufrieden, teilte rasch acht Becher aus und stellte eine Flasche Wein auf jeden Tisch. Während die Mitreisenden am anderen Tisch sofort ihre Becher füllten, zögerten Gisela und Walther.
    »Es ist zu dumm, wenn man die Sprache nicht richtig versteht«, flüsterte sie, denn der Dialekt der Wirtin klang auch für sie völlig fremd. »Unter den französischen Soldaten, die ich in Russland gekannt habe, kam wohl keiner aus dieser Gegend.«
    Walther lächelte ihr aufmunternd zu und versuchte, sich mit den rudimentären Sprachkenntnissen, die er sich unterwegs angeeignet hatte, mit der Wirtin

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