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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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nach oben und fand gerade noch Halt, ehe das Schiff wieder überflutet wurde und Unmengen an Wasser ins Zwischendeck flossen.
    Während er nach einem Tau suchte, mit dem er Gisela und sich an den Stumpf des Hauptmasts binden konnte, entdeckte Walther den Kapitän und den Rest seiner Mannschaft, der den Kampf mit dem Sturm bislang überstanden hatte. Die Matrosen brachten gerade ein Boot zu Wasser, um die schwer beschädigte Loire zu verlassen.
    »He! Ihr könnt uns doch nicht einfach hier zurücklassen!«, brüllte Walther zu ihnen hinüber.
    Hérault Buisson stand bereits im Boot und drehte sich nun ruckartig um. Als er Walther erkannte, zog er ohne Zögern seine Pistole, zielte auf ihn und drückte ab. Offensichtlich war das Zündpulver nass geworden, denn es tat sich nichts. Wütend warf er die Waffe zu Boden und befahl seinen Männern abzulegen, obwohl sich noch zwei Matrosen an Bord der Loire befanden.
    Nun tauchte Thierry neben Walther auf und starrte auf das Boot, das von den Wellen rasch vom Schiff weggetragen wurde.
    »Diese Hunde! Die lassen uns einfach verrecken«, brüllte er.
    Da legte sich Walthers freie Hand wie ein Schraubstock um seinen Arm. »Sieh genau hin!«
    Noch bevor der Normanne begriff, was Walther meinte, raste eine fast haushohe Welle heran, riss das Boot in die Höhe und warf es um. Von der Loire aus war zu erkennen, wie der Kapitän und die Matrosen ins Wasser stürzten und sofort von der tobenden See verschlungen wurden.
    »Achtung, festhalten!«, schrie Walther, da die Riesenwelle nun auf die Loire zukam. Er konnte gerade noch nach einem losen Tau schnappen und es um sich und seine Frau schlingen. Endlose Augenblicke zerrte das Wasser an ihnen wie ein Raubtier, das sie zu verschlingen drohte, dann kämpfte sich die Loire wieder hoch, und das Wasser lief ab.
    So rasch er konnte, band Walther Gisela am Maststumpf fest und sah sich nach den anderen um. Eben half Thierry seiner Mutter an Deck und wollte ein Seil um sie schlingen, doch sie schüttelte den Kopf und deutete auf ihre Tochter. Während ihr Sohn die junge Frau an Walther weiterreichte und ihn mit Gesten bat, sie festzubinden, trat seine Mutter an die Bordwand und sah der nächsten hohen Welle entgegen. Bevor Thierry reagieren konnte, hatte diese die Witwe erfasst und nahm sie mit sich.
    »Maman!« Thierry schrie wie ein verwundetes Tier auf und wollte hinter ihr herspringen.
    Walther packte ihn und riss ihn zurück. »Du kannst ihr nicht mehr helfen. Kümmere dich um den Rest deiner Sippe!«
    Da kam Thierry zur Besinnung und band seinen jüngeren Bruder ebenfalls am Hauptmast fest. Martin Jäger schob Gertrude an Deck und stieg hinter ihr hoch. Während Walther die Elsässerin zu sich holte und ein Seil um sie schlang, zögerte Jäger und wurde prompt von der nächsten Welle erfasst. Einige Augenblicke konnte er sich noch an den Resten des Lukendeckels festhalten. Aus dessen Bruchstellen ragten jedoch scharfe Splitter und bohrten sich in Jägers Hände. Der Elsässer schrie vor Schmerz, ließ los und wurde über Bord gespült.
    Wie vielen Passagieren Walther in den nächsten Minuten half, sich festzubinden, hätte er hinterher nicht zu sagen vermocht. Dennoch wurde immer wieder jemand von den Wogen erfasst und ins Meer gerissen. Irgendwann erlosch der Zustrom aus dem Zwischendeck. Walther konnte nicht erkennen, wie viele es außer ihm und Gisela an Deck geschafft hatten. Schließlich fragte er sich, weshalb er immer noch gegen das unausweichliche Schicksal ankämpfte, da gellte auf einmal Giselas Stimme laut in seinen Ohren. »Ich sehe Land!«
    Er drehte sich mühsam herum und entdeckte im Norden einen Streifen am Horizont, der sich über die kochende See erhob. »Wir werden darauf zugetrieben«, rief er und schöpfte erstmals wieder Hoffnung.
    Die nächsten Minuten starrten alle voller Anspannung zu den Hügeln hinüber, die immer deutlicher zu erkennen waren. Die Entfernung bis dorthin vermochte Walther nicht zu schätzen. Es konnte genauso gut eine Meile sein wie drei. Zum Schwimmen war es auf jeden Fall zu weit.
    Nach einer Weile merkte er, dass sie sich der Küste im spitzen Winkel näherten und auflaufen würden, falls die Strömung ihre Richtung beibehielt. Inzwischen aber hatte die Loire so viel Wasser aufgenommen, dass das Deck auch von kleineren Wellen überspült wurde. Lange würde das Schiff sich nicht mehr halten. Wenn es nicht anders ging, mussten die Überlebenden versuchen, schwimmend das Land zu erreichen.
    In

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