Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
Walther während des Aufenthalts in der Schweiz kaum in Berührung. Medard von Renitz saß meist auf der Terrasse des Hotels, eingehüllt in eine Decke, und versank geistig in jene Zeit, in der er noch als Oberst sein Regiment angeführt hatte. Als Walther wieder einmal den Versuch machte, ihn anzusprechen, und Medard von Renitz ihn nicht einmal zu erkennen schien, verließ er traurig den alten Mann und suchte das Dorfwirtshaus auf.
    Hier kehrten nur selten Feriengäste ein, denn diese zogen die gediegene Küche des Hotels vor. Es gab derbe Kost und ein dunkles, nach Malz schmeckendes Bier, von dem Walther sich einen Krug bestellte. Er trank genüsslich, spürte aber, wie seine Stimmung trübe wurde. Bis jetzt hatte er nur wenige Taler sparen können. Um nach Amerika auszuwandern, benötigte er jedoch mehrere hundert davon. Diese Summe konnte er während seines Studiums niemals zusammenbringen. Also musste er danach entweder in die Dienste der Grafenfamilie treten oder sich eine andere Stelle suchen. Dafür aber benötigte er ein Empfehlungsschreiben, und das würde er von keinem Mitglied der Grafenfamilie auf Renitz erhalten.
    Einmal Sklave, immer Sklave, fuhr ihm durch den Kopf. In dieser einsamen Stunde hatte er das Gefühl, als würde er wie Don Quichotte gegen Windmühlen anrennen, um am Ende immer der Verlierer zu sein. Besser wäre es gewesen, dachte er, wenn die Kugel, die Reint Heurich in der Schlacht von Waterloo gefällt hatte, ihn getroffen hätte. Dann wäre er dieses Elend los.
    Walther wusste selbst nicht, warum er ausgerechnet jetzt wieder an jenen Musketier dachte, der ihn damals beim Regiment unter seine Fittiche genommen hatte. Auch Heurich war ein Opfer des Schicksals gewesen, das ihm eine Muskete in die Hand gedrückt und auf die Felder von Waterloo geführt hatte. Doch damals war Krieg und der Tod der unheimliche Begleiter jedes Soldaten gewesen. Er selbst musste sich im Frieden beweisen. Außerdem durfte er Gisela nicht vergessen. Diese hatte niemanden mehr außer ihm, der sie aus ihrer Abhängigkeit von Renitz und seinem zukünftigen Herrn erlösen konnte.
    Auch dafür brauchte er Geld. Da er nicht zum Dieb werden wollte, musste er es sich verdienen und ersparen. Doch das vermochte er nicht, wenn er in Wirtshäusern herumsaß und seine wenigen Taler vertrank. Mit diesem Gedanken ließ Walther den noch halbvollen Krug stehen, zahlte und ging.
    Draußen stieß er sogleich auf Diebold, der gerade mit einem weiblichen Kurgast tändelte. Es war die Frau eines ältlichen Händlers, der wie Graf Renitz an diesem Ort seine Gesundheit wiederherstellen wollte. Vom Alter her hätte der Mann der Vater seiner Frau sein können, und sie schien es leid zu sein, neben dem Stuhl ihres Gemahls zu sitzen und Romane zu lesen, in denen tugendhafte Heldinnen von stolzen Kavalieren aus den schlimmsten Situationen gerettet wurden.
    Walther hatte den Eindruck, als wolle sie die in ihren Büchern beschriebene Sinneslust endlich am eigenen Leib erfahren. Nur war sie selbst nicht tugendhaft und Diebold alles andere als ein Kavalier. Zudem konnte Walther erkennen, dass der junge Renitz arg betrunken war. Das hatte Diebold offensichtlich vor der Frau verbergen können.
    Ohne zu überlegen, warum er es tat, folgte Walther den beiden, als sie aus dem Dorf hinaus und auf die Schlucht zugingen, die sich mehr als eine Meile in die Berge hinein erstreckte. Da er von Einheimischen gehört hatte, die Schlucht ende im Nichts, fragte er sich, was die beiden dort oben suchten, wo es nicht einmal eine Heuhütte geben sollte.
    Mehrmals wollte er umkehren, doch die Neugier, selbst einen Blick in die verrufene Schlucht zu werfen, trieb ihn ebenso weiter wie die Frage, warum Diebold und die Dame dorthin gingen. Für ein Schäferstündchen schien ihm das nicht der richtige Ort zu sein. Schließlich betrat er den von großen Felsen übersäten Einschnitt zwischen zwei schroff aufsteigenden Felswänden. Einige Minuten lang konnte er beobachten, wie Diebold der Frau in einiger Entfernung über die Felsen half, die sich darin türmten. Dann aber waren die zwei von einem Augenblick auf den nächsten spurlos verschwunden.
    Auch wenn Walther nicht guthieß, dass die beiden sich absonderten, so konnte er jetzt nicht einfach ins Hotel zurückkehren und so tun, als wäre nichts gewesen. Er suchte einige Minuten nach einer Spur der beiden, setzte sich dann auf einen Felsen und wartete, ob sie wieder auftauchen würden.
    Nach einer Weile vernahm er

Weitere Kostenlose Bücher