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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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mehr«, wandte Walther ein.
    »Das Alter hat ihn milde werden lassen. Aber es geht nicht – und das weißt du genau!« Unbewusst wischte Gisela sich über die Augen, die feucht geworden waren. Dabei ahnte sie, dass sie nicht nur um ihre toten Eltern weinte, sondern auch darum, dass die Konfession wie ein trennender Wall zwischen ihr und Walther stand.

3.
    A uch wenn der Sohn des Hauses in der Ferne weilte, plante Gräfin Elfreda, ein rauschendes Fest zu feiern. Für die Bediensteten auf Schloss Renitz und für das Gesinde auf dem Gutshof hieß dies vermehrte Arbeit, die so manchen Knecht leise fluchen ließ. Auch Gisela hätte als rechte Hand der Mamsell an drei Stellen zugleich sein müssen. An Walther gingen die Vorbereitungen ebenfalls nicht spurlos vorüber. Er musste karrenweise Tannengrün und andere Zweige zum Schloss schaffen und bereute es schließlich doch, auf Knechte verzichtet zu haben.
    Holger Stoppel half ihm, so gut er es vermochte, die Zweige zu sortieren, und gab Walther Ratschläge, die diesem einiges an überflüssiger Arbeit ersparten. Am Vorabend des Festes saßen die beiden vor dem Forsthaus und schnitten bei einem Gläschen Heidelbeerwein die restlichen Zweige zurecht.
    »Ich weiß nicht, was in Ihre Erlaucht gefahren ist. Jahrelang war es auf Renitz so still wie in einer Kirche, und nun will sie auf einmal die ganze Welt einladen«, sagte Stoppel kopfschüttelnd.
    »Frau Frähmke meint, sie geht auf Freiersfüßen«, antwortete Walther und lachte über Stoppels verdattertes Gesicht. »Natürlich nicht für sich, sondern für ihren Sohn. Sie soll mehrere junge Damen eingeladen haben – samt deren Müttern natürlich –, um die geeignete Braut für Graf Diebold herauszusuchen.«
    »Das wird schwierig werden«, meinte Stoppel spöttisch. »Die Vorstellungen Ihrer Erlaucht und des jungen Grafen dürften weit auseinanderklaffen. Während Gräfin Elfreda sich ein stilles Fräulein wünscht, das ihr in allem gehorcht, steht der Sinn ihres Sohnes mehr nach einer Schönheit, die gleichzeitig in ihm ihren Gott sieht. Dabei bräuchte er im Grunde einen Dragoner, der ihm mit der Reitpeitsche die Leviten liest.«
    »Eine solche käme der Gräfin nicht ins Haus, denn sie wird die Herrschaft über Renitz so schnell nicht aus der Hand geben wollen. Was das betrifft, sehe ich noch Blitz und Donner über dem Schloss. Doch das kann uns gleichgültig sein. Ich mache meine Arbeit, wie es sich gehört, und Sie erholen sich erst einmal wieder.«
    Walthers letzte Worte sollten aufmunternd klingen, doch Stoppel schüttelte den Kopf. »Ich werde mich niemals mehr erholen. In den Nächten höre ich meine Kameraden rufen, die in Russland und bei Leipzig ums Leben gekommen sind. Sie freuen sich auf ein Wiedersehen. Wolle Gott, dass wir in alter Freundschaft zusammensitzen, von alten Zeiten sprechen und Karten spielen können. Oder glaubst du, dass das im Himmel nicht erlaubt sein wird?«
    »Das Zusammensitzen?«, fragte Walther.
    »Das Kartenspielen!«, berichtigte ihn Stoppel. »Oder geht es im Himmel so fromm zu, dass man den ganzen Tag im Kirchengestühl sitzt und fromme Lieder zur Lobpreisung des Herrn singen muss?«
    Um Walthers Mundwinkel zuckte es. »Darauf kann ich keine Antwort geben, denn ich war noch nie dort. Und ich glaube auch nicht, dass Pastor Künnen Ihnen Auskunft geben könnte. Es wird sicher recht fromm dort oben zugehen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass unser Heiland einem alten Soldaten und Förster ein Kartenspiel verargen wird.«
    Nun musste auch Stoppel lachen. »Du hättest Pastor werden sollen, Walther. Zu deinen Predigten wären gewiss viele Menschen gekommen, und du hättest den kleinen Sündern ihre Last vom Herzen genommen. Ein Heiland, der ihnen ein Gläschen Schnaps und ein Kartenspiel erlaubt, zu dem würden sie gerne in den Himmel kommen.«
    Die beiden flachsten eine Weile, kamen aber bald wieder auf das Fest der Gräfin zurück.
    »Beinahe hätte ich es vergessen«, berichtete Stoppel. »Während du die letzten Zweige aus dem Wald geholt hast, war Gisela da. Ihre Erlaucht wünscht, dass du morgen Nachmittag in voller Uniform eines gräflichen Leibjägers am Empfang der Gäste teilnimmst.«
    »In voller Uniform? Wie stellt sie sich das vor? Ich besitze nur meinen normalen grünen Rock.« Walthers Miene drückte unverhohlene Abwehr aus.
    »Ihre Erlaucht hat die entsprechende Montur in einem Schrank des Schlosses gefunden. Also sollst du sie dir morgen früh von einer der

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