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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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der
Begeisterung durchrieselten Cassie, als hallten Schlachtgesänge
durch ihren Körper, entzückten sie um der Sache willen und
ebenso aufgrund ihrer Bedeutung: Trotz ihrer Liebe zu Anthony und der
verschiedenerlei immanenten moralischen und psychologischen
Ungereimtheiten der Aktion gegen den Corpus Dei gab sie nicht
klein bei.
    Rafferty hielt das Fernglas an Anthony van Hornes Brust.
»Sehen Sie, was ich meine?« jammerte der Erste Offizier und
zeigte südwärts, während der Kapitän das
Bushnell-Fernglas an die Augen hob und am Rändelrad
scharfstellte. »Die Maschinen dort überm Bauch sind alte
SBD-Zwo- Dauntless- Sturzkampfbomber, glaube ich, und am Hals
schwirren TBD-Eins-Devastator- Torpedoflieger umher. Beide
Maschinen… Ich schwöre es, Kapitän! Beide Typen sind
Ende der dreißiger Jahre gebaut worden. Das ist ja wie in Der letzte Countdown, nur umgekehrt.«
    »Recht so, Sir?« rief An-mei Jong aus dem Steuerhaus ins
Freie.
    »Nein, drehen!« schnauzte Anthony. Ihm lief das Gesicht
rot an, sein Blick ruckte nach allen Seiten. »Hart Backbord!
Ausweichmanöver einleiten!«
    »Du kannst der Sache nicht ausweichen«, sagte
Cassie.
    »Rafferty, ans Manöverpult! Stütz!«
    »Aye, Sir!«
    Der Erste Offizier beeilte sich ins Steuerhaus. Anthony packte
Cassies Unterarm, drückte so gewaltsam zu, daß sie den
Druck sogar durchs Gänsedaunenfutter des Parkas spürte.
»Was soll das heißen, ich kann nicht ausweichen?«
fragte er.
    »Du tust mir weh.«
    »Ist dir bekannt, woher die Flugzeuge kommen?«
    »Klar.«
    »Und woher?«
    »Laß meinen Arm los«, beharrte Cassie. Er tat es.
»Sie gehören Pembroke und Flumes Zweiter-Weltkrieg-
Militärdrama-Gruppe.«
    »Pembroke und wer? Was?«
    »Sie handeln im Auftrag.«
    »In wessen Auftrag?«
    »Meiner Freunde.«
    »Deiner Freunde? Redest du von Oliver?«
    »Du mußt die Angelegenheit richtig verstehen, Anthony.
Ob tot oder lebendig, diese Gestalt da ist eine Gefahr für die
Menschheit. Sollte die Allgemeinheit je von ihr erfahren, ist es mit
dem Verstand aus und mit der Gleichheit der Frau vorbei. Es
genügt nicht, die Leiche zu bestatten, sie muß im
Grönländischen Becken versenkt und der Verwesung
überlassen werden. Sag mir, daß du’s
verstehst.«
    Hochaufgerichtet stand er vor ihr, bleckte die zusammengebissenen
Zähne. »Verstehen? So was soll ich verstehen?«
    »Ich bin der Ansicht, das ist nicht zuviel
verlangt.«
    »Wie konntest du mich derart bescheißen?«
    »Das Patriarchat bescheißt mein Geschlecht seit
viertausend Jahren.«
    »Wie konntest du, Cassie? Wie konntest du
nur?«
    Sie blickte ihm fest in die Augen. »Eine Frau muß
tun«, entgegnete sie, »was sie tun muß.«
    Einen Moment lang verharrte Cassies Geliebter, starr vor Wut, noch
auf der Brückennock.
    Schachmatt, dachte sie.
    Dann fuhr er zum Steuerhaus herum.
»Ausweichmanöver!« schrie er zu Jong hinein.
»Hart Backbord!«
    »Den Befehl haben Sie schon gegeben, Sir.«
    In enger V-Formation schwenkten fünf Devastator- Maschinen aus Westen ein und flogen schnurstracks
auf den Hals des Corpus Dei zu, klinkten rund 300 m vor
dem Ziel die Torpedos aus. Geschmeidig und flink sausten die Torpedos
durchs Wasser, ihre Antriebsschrauben versprudelten weißlichen
Schaum. Eines nach dem anderen trafen die Geschosse Fleisch und
detonierten, so daß Fontänen kochendheißer
Lymphdrüsen und Geysire zerfetzen Gewebes emporsprühten.
Cassie lachte, stieß ein langgezogenes Jauchzen aus. Endlich
kapierte sie es. Das war es, warum Männer soviel Aufwand
veranstalteten, um im Leben Feuer und Wirrnis zu organisieren –
die mitreißende Raserei der Zerstörung, der hochgradig
kurzweilige Unterhaltungswert des Vernichtens, das Besoffenwerden
durch den Krieg, das Schmieröl der Geschichte. Wahrscheinlich
existierten auf der Erde viele Arten ähnlich erregenden
Zeitvertreibs, auch weniger gewalttätige, aber man sehe sich nur
an, was für ein wunderbares Schauspiel sich bot, was für
eine ungeheure Dramatik sich da entfaltete!
    Schließlich drehte der Tanker, schnitt einen weiten Bogen
aus Gischt durch die Norwegische See, und notgedrungen folgte der Corpus Dei.
    »Alles herhören«, rief Anthony ins Mikrofon der
Sprechanlage. »Alles herhören! Zwei Staffeln feindlicher
Flugzeuge bombardieren unser Schleppgut. Die Valparaíso schwebt in keiner Gefahr. Wir nehmen ein Ausweichmanöver
vor. Ich wiederhole: Die Valparaíso ist nicht in
Gefahr.«
    Cassie gab ein geringschätziges Prusten von sich. Von ihr

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