Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
Vom Netzwerk:
aus
sollte er von einem ›Ausweichmanöver‹ faseln, aber mit
läppischen neun Knoten Geschwindigkeit glich das Schiff einer
lahmen Ente.
    »Ich habe dich aus dem Meer gezogen!« Anthony fuchtelte
mit dem Fernglas vor Cassies Gesicht, als wäre ihm danach, es
ihr auf die Nase zu dreschen. »Mit meinen Meskal-Würmern
habe ich dich gefüttert!«
    Cassie wußte nicht, über wen sie sich mehr
ärgerte, über Anthony oder sich selbst. Wie naiv von ihr,
wie umwerfend einfältig, zu glauben, er könnte sich ihrer
Einstellung anschließen. »Verflixt noch mal, ich
wußte doch, daß du das Wesentliche übersiehst, ich wußte es…« Sie entwand ihm das Fernglas und
richtete es auf ein Wasserflugzeug, das hoch über der Stirn des Corpus Dei seine Kreise zog. Flüchtig hatte sie in der
Phantasie Oliver vor Augen – den trotz fliehenden Kinns doch
unheimlich liebenswerten Oliver, wie er steuerbords am Fenster
saß und einem Achterbahnfahrer ähnelte, der sich gleich
übergeben mußte. »Also wirklich, Anthony, du rammst
den Angriff viel zu persönlich. Reg dich ab. Du hast darauf
überhaupt keinen Einfluß mehr.«
    »Nichts liegt außerhalb meiner
Einflußmöglichkeit!« grollte er.
    Um 9 Uhr 35 schlug eine Kette von sechs Sturzkampfbombern zu, die
Motoren heulten, während die Maschinen über die
Tragflächen kippten und herabrasten, ihre Bombenladung auf die
Magengegend des Leichnams abluden und Cassie dabei an
Blaufußtölpel erinnerten, die über St. Paul’s
Rocks abkoteten. Bei jedem Volltreffer schoß eine
unregelmäßige Säule aus geschmolzenem Eis und
verdampfter Haut himmelwärts.
    »Was geht denn da vor?« wünschte Pater Thomas zu
erfahren, der soeben in Begleitung der gleichermaßen ratlosen
Dolores Haycox völlig perplex die Brückennock betrat.
    »Die Schlacht von Midway«, antwortete Cassie.
    »Ach du lieber Gott«, murmelte Haycox.
    »Auf Veranlassung des Vatikans?« fragte Pater
Thomas.
    »Sie haben hier nichts zu suchen!« maulte Anthony
ihn an.
    »Ich habe Sie davor gewarnt«, erwiderte der Priester,
»sich mit Rom anzulegen.«
    »Scheren Sie sich fort!«
    »Diesmal steckt die Kirche nicht dahinter«, setzte
Cassie den Geistlichen in Kenntnis.
    »Und wer sonst?« fragte Pater Thomas.
    »Die Aufklärung.«
    »Fort mit Ihnen, sage ich!« tobte Anthony, wankte auf
die Dritte Offizierin zu. »Öhrchen soll her, und zwar
augenblicklich!«
    »Ach du lieber Gott«, jammerte Haycox noch einmal und
rannte ins Steuerhaus.
    Die beiden nächsten Schläge erfolgten zur gleichen Zeit,
eine Kette Torpedoflugzeuge erweiterte systematisch die Halswunde des Corpus Dei, während eine zweites Kette Flieger,
Sturzkampfbomber, hartnäckig die Bauchverletzung vertiefte.
    »Ich muß gestehen, mit einem besonders ausgefeilten
Gespür für Politik habe ich mich nie gebrüstet«,
bekannte Pater Thomas.
    »Mit Politik hängt’s gar nicht zusammen«,
schnaubte Anthony. »Dieses Debakel haben wir feministischer
Paranoia zu verdanken.« Noch einmal ergriff er Cassies Unterarm.
»Ist dir klar, daß der Leichnam uns, wenn dein kleiner
Freund Erfolg hat, mit sich hinabzieht?«
    »Keine Sorge, die Schleppketten werden auch noch bombardiert.
Bitte nimm deine Wichsgriffel von mir.«
    Lianne Bliss, auf dem Gesicht ein breites, krauses Lächeln,
kam auf die Brückennock. »Zu Befehl, Sir?«
    »Diese Flugzeuge wollen unser Schleppgut versenken«,
heulte Anthony.
    »Ich seh’s, Sir.«
    »Funken Sie den Kommandeur an.«
    »Aye-aye, Sir.«
    »Hallo, Lianne«, sagte Cassie.
    »Morgen, Liebchen.«
    »Scheiße, haben Sie etwa auch dabei mitgemischt,
Öhrchen?« erkundigte sich Anthony.
    Lianne zog den Kopf ein. »Ich muß zugeben, ich bringe
dem Vorgehen der Flugzeuge eine gewisse Sympathie entgegen,
Sir«, gestand sie, ohne seine Frage direkt zu beantworten.
»Der Leichnam verkörpert eine Bedrohung für die Frauen
der ganzen Welt.«
    »Beachte doch mal das Vorteilhafte«, empfahl Cassie dem
Schiffer. »Normalerweise mußt du sechzig Dollar berappen,
wenn du ’ne Militärdrama-Veranstaltung Pembrokes und Flumes
anschauen möchtest.«
    »Rufen Sie den Kommandeur an, Öhrchen!«
     
    Oliver fand gar keinen Spaß an der Schlacht von Midway. Sie
verlief lautstark, konfus und eindeutig lebensgefährlich.
»Müssen wir so nah ran?« wandte er sich
über Bordfunk an Oberleutnant Reid. Gerade dröhnte die
dritte Welle der Devastator- Torpedoflieger aufs Ziel zu, die
fünf Maschinen überquerten das Deckhaus des in sinnlosem
Ausweichen begriffenen

Weitere Kostenlose Bücher