Das Gottesmahl
Linda-Lovelace-Filmfestival durchzustehen, hätte
stärkeren Widerwillen empfinden können. Dennoch weigerte er
sich, eine Niederlage einzugestehen. Vielmehr hatte er nach Erhalt
von Pamela Harcourts unerfreulicher Nachricht aus Dakar umgehend
Maßnahmen veranlaßt und ein Ad-hoc- Komiteeunter
Barclay Cabots Leitung auf Blitz-Weltreise geschickt.
Winston Hawke verschlang ein Petitis fours und wischte sich die
Hand am Trotzki-T-Shirt ab. »Nach achtundvierzig Stunden
unermüdlicher Anstrengungen muß unsere Abordnung leider
ein ernüchterndes Ergebnis präsentieren.«
Barclay Cabot stand auf und zog ein Notizblatt aus der Tasche
seiner Strickjacke. »Wir sind als Vertreter einer fremden
Regierung vorstellig geworden, die verhindern möchte, daß
ihre Finanzmittel in die falschen Hände fallen…«
»Des eigenen Volks beispielsweise«, unterbrach ihn
Winston Hawke.
»… und haben erfahren, daß man heutzutage nahezu
jede beliebige Massenvernichtungstechnik beliebig erwerben kann. Im
einzelnen« – Cabot heftete den Blick auf das Notizblatt
– »war das französische Verteidigungsministerium ohne
weiteres dazu bereit, uns ein mit achtzehn aus dem Bug
verschießbaren Torpedos bewaffnetes Kriegsmarine-Unterseeboot
der Robespierre- Klasse zu vermieten. Vom iranischen
Außenministerium haben wir ein Angebot über
fünfunddreißig Millionen Liter aus Vietnam
übriggebliebenen Napalms erhalten, das der Iran
neunzehnhundertsechsundsiebzig vom amerikanischen Geheimdienst CIA
erworben hat, dazu zehn F-Fünfzehn- Eagle- Kampfflugzeuge
als geeignete Waffenträger. Von der argentinischen Marine ist
uns ein Zweimonatsleasing des Schlachtschiffs Evita Perón angeboten worden, und bei sofortigem Abschluß des
Pachtvertrags hätten wir als Bonus sechzigtausend Schuß
Munition bekommen. Und schließlich hätte uns die
Volksrepublik China, wäre die Bezugsquelle unsererseits
geheimgehalten worden, gegen eine ›Pauschale‹ eine
taktische Atomwaffe mitsamt einem Trägersystem unserer Wahl
überlassen.«
»Diese sämtlichen Angebote sind jedoch in dem Moment
zurückgezogen worden, als klar wurde, daß wir in Wahrheit
keine fremde Regierung vertreten.« Hawke suchte sich ein zweites
Petits fours aus. »Es sei unmoralisch, hieß es, und
hätte eine destabilisierende Wirkung, derartige Waffentechnik
Privatleuten zur Verfügung zu stellen.«
»Eine gegenteilige Meinung hatte ausschließlich eine
Privatvereinigung, nämlich der Amerikanische Bundesverband der
Waffenbesitzer«, sagte Cabot. »Aber was er uns verkaufen
wollte – vier M-Einhundertzehn-Haubitzen und sieben funkgelenkte
TOW-Raketen –, ist für unsere Zwecke nutzlos.«
Oliver gab ein leises Stöhnen von sich. Er hatte sich
ermutigendere Neuigkeiten erhofft, nicht nur, weil er Cassandra,
deren Fax eindeutig einen nur zwischen den Zeilen lesbaren Text
enthielt – Bewähre dich, forderte sie ihn
unausgesprochen auf, beweise mir, daß du ein wirklich
fähiger Mann bist! –, zu beeindrucken wünschte,
sondern auch, weil er dem Menschengeschlecht tatsächlich ein
weiteres Jahrtausend theistischer Ignoranz und geistlosen
Aberglaubens zu ersparen beabsichtigte.
»Also sind wir angeschmiert?« fragte Pamela
Harcourt.
»Einen Hoffnungsstrahl gibt’s noch«, versicherte
Hawke, während er das kleine Törtchen verzehrte.
»Heute nachmittag hatten wir ein Gespräch
mit…«
Der Marxist verstummte mitten im Satz, und zwar aus Erschrecken
über Sylvia Endicotts plötzliches Aufspringen, einem so
ruckartigen Aufschießen aus dem Empire-Polstersessel, als
wären unversehens dessen Stahlfedern durch den Bezug
hervorgestochen. »Habe ich eigentlich irgend etwas
überhört?« erkundigte sich die alte Dame mit
gedämpftem Zischeln. »Habe ich bei einer wichtigen
Versammlung gefehlt? War ich zur Zeit einer Sondersitzung verreist?
Wann haben wir denn diese Sabotageplanung überhaupt
beschlossen?«
»Formell ist darüber nicht abgestimmt worden«,
konzedierte Oliver. »Aber der einhellige Wunsch nach einer
solchen Maßnahme war ja wohl nicht zu übersehen.«
»Mein Wunsch geht nicht dahin.«
»Und was schlägst du statt dessen vor, Sylvia?«
knurrte Pamela Harcourt. »Dazusitzen und nichts zu
tun?«
»Von einem Mausoleum auf den Svalbard-Inseln kann man auf
keinen Fall einen endgültigen Verbleib erwarten«,
sekundierte Meredith Lodge hastig. »Meine Güte, es
wäre geradeso unsicher wie die Cheops-Pyramide.«
»Entsorgung ist die einzige Lösung«, rief Rainsford
Fitch.
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