Das Gottesmahl
für viele
Leute ganz schlimm.
BAKETAMON: Nellifer und ich sind aber davon verschont
geblieben.
NELLIFER: Wir hatten Glück. Unsere Erstgeborenen waren schon
tot.
BAKETAMON: Meinen hat der Hagel getötet.
NELLIFER: Ist er erfroren?
BAKETAMON: Erschlagen worden.
NELLIFER: Meiner hatte seit dem ersten Lebensmonat chronischen
Durchfall gehabt, und als das Wasser sich in Blut verwandelte, starb
er an Dehydrierung.
BAKETAMON: Nellifer, du bringst ja alles durcheinander. Als das
Wasser zu Blut wurde, ist dein Zweit geborener verstorben. Dein Erst geborener ist während der Finsternis umgekommen, weil
er versehentlich Terpentin getrunken hat.
NELLIFER: Nein, mein Zweit geborener ist erheblich
später gestorben, er ist ertrunken, als das Rote Meer sich
wieder schloß. Mein Dritt geborener hat Terpentin
getrunken. Eine Mutter vergißt so etwas doch nicht.
INTERVIEWER: Man sollte meinen, ihr wärt wegen der Plagen
viel verbitterter.
NELLIFER: Anfangs dachten wir ja, die Plagen seien ungerecht. Aber
schließlich haben wir unsere innere Schlechtigkeit und
eingefleischte Bosheit eingesehen.
BAKETAMON: Es gibt im gesamten Universum nur einen Guten, und das
ist Jehova, Gott der Herr.
INTERVIEWER: Ihr habt euch zum Monotheismus bekehrt?
BAKETAMON (nickt): Wir lieben Gott den Herrn von ganzem
Herzen.
NELLIFER: Aus tiefster Seele.
BAKETAMON: Mit aller Kraft.
NELLIFER: Außerdem weiß man nie, was ihm als
nächstes einfällt, um uns zu piesacken.
BAKETAMON: Vielleicht schickt er Feuerameisen.
NELLIFER: Oder Mörderbienen.
BAKETAMON: Oder Hirnhautentzündung.
NELLIFER: Schließlich habe ich noch zwei Söhne.
BAKETAMON: Und ich eine Tochter.
NELLIER: Der Herr gibt…
BAKETAMON: … und der Herr nimmt.
NELLIFER: Gepriesen sei der Name des Herrn.
Cassie schaute sich im Publikum um. Über Joe Spicer, Dolores
Haycox und Bud Ramsey schwebten und gleißten
Strahlenkränze puren Intellekts, erhellten ihre Gesichter mit
dem heiligen Glanz des Skeptizismus. Sie spürte, daß die
Erleuchtung unmittelbar bevorstand. Im weiteren Laufe von Gott
ohne Tränen mußten die Deserteure der Valparaíso unabwendbar den verhängnisvollen Irrtum
erkennen, auf den sie ihre Rebellion stützten, und ihn
verwerfen.
Das Scheinwerferlicht fällt wieder auf die Sanddüne
und Moses.
INTERVIEWER: Als du auf dem Berg Sinai gewesen bist, hat Jehova
dir wesentlich mehr als die Zehn Gebote aufs Auge gedrückt,
oder?
MOSES: Und DeMille hat alles verfilmt, sämtliche
sechshundertzwölf Gesetze, aber es ist alles der Schere zum
Opfer gefallen.
Im Bühnenhintergrund senkt sich eine Leinwand herab, auf
die ein Ausschnitt des Films Die Zehn Gebote projiziert wird.
Zügig schreibt Gottes Zeigefinger die Gebote in den Stein des
Sinai. Sobald das letzte Gebot niedergeschrieben ist – DU SOLLST
NICHT –, bleibt das Bild stehen.
GOTT (Off-Stimme): Und nun zu den Feinheiten. (Paukenschlag) Wenn du in den Krieg ziehst gegen deinen Feind,
und der Herr gibt ihn in deine Gewalt, so daß du Gefangene
machst, und du erblickst unter den Gefangenen eine schöne Frau,
entbrennst in Liebe zu ihr und willst sie zum Weibe nehmen, so
führe sie hinein in dein Haus…
INTERVIEWER: Daß DeMille das gebracht hat, finde ich
bewundernswert. Fünftes Buch Moses, einundzwanzig-zehn bis
-zwölf, nicht wahr?
MOSES: Du hast recht, Marty. Er war ein viel mutigerer Regisseur,
als seine Kritiker sich vorstellen.
GOTT (Off-Stimme): Wenn bei einer Rauferei zweier
Stammesbrüder das Weib des einen herzukommt, um ihrem Manne zu
helfen wider den andern, der ihn schlägt, und wenn sie ihre Hand
ausstreckt und jenen an seinen Schamteilen ergreift, dann haue ihr
die Hand ab ohne jegliche Nachsicht.
INTERVIEWER: ›Schamteile?‹ Das Wort hat DeMille
benutzt?
MOSES: Fünftes Buch Moses, fünfundzwanzig-elf bis
-zwölf.
GOTT (Off-Stimme): Hat jemand einen störrischen und
widerspenstigen Sohn, der seines Vaters und seiner Mutter Mahnungen
nicht befolgen will und ihnen auch nach der Züchtigung nicht
gehorcht, dann sollen ihn seine Eltern ergreifen und ihn vor die
Stadtältesten zum Gerichtstor seines Ortes bringen… Dann
sollen alle Männer seiner Heimatstadt ihn zu Tode steinigen.
MOSES: Fünftes Buch Moses, einundzwanzig-achtzehn, -neunzehn
und -einundzwanzig.
INTERVIEWER: Und da habe ich immer geglaubt, DeMille wäre
Kontroversen abgeneigt gewesen.
MOSES: Eigentlich war er ein Medienmogul mit Mumm, Marty.
INTERVIEWER: Diese verfluchten Kino-Ketten.
MOSES (nickt):
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