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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Leib, die Stirn schrammte durch den
Schlamm und hinterließ eine Furche wie ein Pflug –,
bemerkte Thomas das Dacrontau, das die Heckstoßstange des
Gabelstaplers mit dem Netz verband.
    »Thomas, er bringt den Mann um.«
    Unbarmherzig schleifte Spicer sein Opfer pausenlos im Kreis, als
führte er eine groteske Parodie des Schleppauftrags der Valparaíso vor. Wheatstone brüllte
gräßlich, er trat um sich und fuchtelte, während
Spicer ihn zu Tode schindete, seine flüssigen
Körperbestandteile rannen durch die Maschen, als wäre er
eine Tomate, die auf dem Boden einer Einkaufstüte zerquetscht
wurde.
    Als ersichtlich war, daß Wheatstone ausgelitten hatte,
rannten zwei stämmige Leichtmatrosen in die Arena, zerschnitten
das Tau und zerrten den eingenetzten Leichnam des Bootsmanns zu den
Fallgittern.
    Die Neoheiden sprangen auf und jubelten.
    »Klasse, Joe!«
    »Noch mal so!«
    »Klasse, Joe!«
    »Noch mal so!«
    Priester und Nonne hasteten in die Senke hinab, wimmerten vor sich
hin, der lehmige Sand klebte ihnen an den Stiefeln. Gemeinsam
durchquerten sie das Haupttor und drangen in die Finsternis unter den
Sitzreihen vor, ein Labyrinth versandeter, algiger Stollen, in denen
die von der Valparaíso weggeschleppte Beute –
Raketenstartgeräte, Kühlschränke, Feldkisten,
Dieselgeneratoren, Videospielgeräte – wie angeschwemmtes
Treibgut verstreut lag. Voraus glomm Tageslicht auf einer Rampe. Sie
eilten ins Freie.
    Ein Weinrinnsal floß die Marmorstufen herab; unter den
Sitzen moderten verlorengegangene Würstchen; abgenagte
Pizzakrusten und halbverzehrte Äpfel verrotteten in der Hitze.
Während jetzt Karl Jaworski in die Arena lief –
buchstäblich um sein Leben –, schnauften Thomas und Miriam
die Stufen eines Dutzends Ränge hinauf, blieben außer Atem
zwischen Charlie Horrocks, der das Gesicht in ein großes
Stück Wassermelone hineinfraß, und Bud Ramsey stehen, der
an einer Flasche Budweiser nuckelte. Es dauerte mehrere Sekunden, bis
Thomas merkte, daß unmittelbar vor ihm Dolores Haycox und James
Schreiender Falke auf der Sitzbank tatkräftigen
Geschlechtsverkehr vollzogen.
    »Hallo, Pater Thomas«, grüßte Ramsey.
Bierschaum sickerte ihm übers Kinn. »Tachchen,
Schwester.«
    »Tolle Fete, was?« fragte Horrocks und hob die Miene aus
der Wassermelone.
    Haycox und Schreiender Falke stöhnten beide laut, rammelten
sich einem Orgasmus entgegen, dessen starke Intensität sie sich
in der vorherigen, theistischen Epoche wahrscheinlich höchstens
hätten erträumen können.
    Zur Linken Horrocks saßen Karl Jaworskis drei Opfer
beisammen – die derbe Isabel Bostwick, die gertenschlanke An-mei
Jong, die exotische Juanita Torres –, warfen Spicer
Kußhände zu. Bostwick naschte Türkischen Honig. Jong
soff Champagner aus der Flasche. Juanita Torres, nur in
Unterhöschen und BH gekleidet, schüttelte ein Paar Pompons,
gebastelt aus zwei Schraubenziehern, um die sie die Hälften
ihres zertrennten Miro-T-Shirts gewickelt hatte.
    Trotz der scheußlichen Raserei in der Arena, ungeachtet der
widerwärtigen Tatsache, daß Spicer irgendwie Jaworski
schon gegen die Südmauer gedrängt hatte und jetzt direkt
auf ihn zuraste, konnte Thomas nicht dem Eindruck widerstehen,
daß in dem Amphitheater in Wirklichkeit nur eine Art Barthsches Nichtiges herrschte: Wo zuvor Gottes Gnade waltete, gab es
lediglich noch ein ontologisches Nichts, dessen blinde
Anziehungskraft alle Güte und Milde verschlang wie ein Schwarzes
Loch das Licht. Jaworski sackte auf die Knie. Spicer senkte
entsprechend die Forken. Bostwick, Jong und Torres fuhren
gleichzeitig von den Plätzen zu einer Bekundung purer
Begeisterung hoch. »Kaltmachen!« schrien sie, sangen es
fast im Choral.
    Thomas sah ab, was bevorstand. Dennoch flehte er aus alter
Gewohnheit zu Gott, es zu verhindern.
    »Kaltmachen!«
    »Kaltmachen!«
    Während die Lippen des Priesters noch an dem Stoßgebet
formulierten, rammte die linke Gabelstaplerforke Jaworskis
Körpermitte, pfählte den Unterleib so glatt, wie sich
Longinus’ Lanze in die Brust des Gekreuzigten gebohrt haben
mochte.
    »Rodeo!« kreischte Jong, als Jaworski aufgespießt
emporschwebte.
    »Nein!« heulte Thomas. »Nein! Nicht!«
    »Regen Sie sich ab, Mann«, forderte Ramsey. »Seien
Sie kein Frosch.«
    Spicer setzte das Fahrzeug zurück. Jaworski hing auf der
Forke, schrie vor Schmerz, zappelte wie ein auf eine Nadel
gepfriemter Käfer.
    »Nein…!« jammerte Schwester Miriam.
    »Jawohl!« erscholl schrill Torres’

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