Das Gottesmahl
Stimme.
»Masseltoff!« johlte Bostwick.
Falten angestrengter Konzentration an der Stirn, bediente Spicer
die Kontrollen, ließ die Forken bis zum unteren Anschlag fallen
und wieder steigen, schwang anschließend, nachdem er den Dreh
herausgefunden hatte, Jaworski immerzu auf und nieder. Jaworski
umklammerte die klatschnasse Stahlstange, tränkte bei seinen
tapferen, aber zwecklosen Bemühungen, sich zu befreien, die
Hände im eigenen Blut.
»Spicer, Spicer ist unser Mann!« jubilierte Bostwick.
»Keiner kann’s, wenn er’s nicht kann!«
Bei Thomas machte sich Brechreiz bemerkbar, rumorte in seinem
Magen und brannte in der Speiseröhre, während dieselben
Leichtmatrosen, die vorhin Wheatstone weggeschafft hatten, Jaworskis
Leichnam von der Forke zogen und achtlos in den Schmutz warfen.
Inzwischen weinte Miriam. Sie ergriff Thomas’ Hand, drückte
den Daumennagel so tief in seinen Handteller, daß Blut
herausdrang. Mittels purer Willenskraft bändigte Thomas seine
Übelkeit.
»Vorwärts, Joe, noch mal so!« krakeelte Torres,
wirbelte mit den Pompons. »Vorwärts, Joe, noch mal so!
Vorwärts, Joe, noch mal so!«
Den Anker in der Faust, schlurfte Neil Weisinger zur Mitte der
Arena. Spicer schaltete den Gabelstapler in einen tieferen Gang und
rollte auf ihn zu.
»Hören Sie auf!« schrie Miriam. Es klang,
mußte Thomas sich eingestehen, mehr nach einer Erzieherin, die
einen Kindergarten zur Ordnung ruft, als wie die Stimme der Vernunft,
die den Geist Immanuel Kants beschwört. »Hören Sie
sofort auf!«
Spicer schleuderte das Netz.
Aber daneben.
Der junge Matrose wich zurück, die nackten Füße
patschten durch den Schlamm, der Anker schwang an seiner Seite.
Schwarze Abgase schossen aus dem Auspuff des Gabelstaplers,
während das Fahrzeug ihm mit zehn, fünfzehn, dann zwanzig
Kilometern pro Stunde folgte. Spicer ließ die Forken in
Weisingers Bauchhöhe einrasten.
»Dran und drauf!«
»Dran und drauf!«
Der junge Seemann blieb stehen, wandte sich um, wartete.
»Bring ihn um!«
»Bring ihn um!«
Und mit einem Mal wirbelte der Anker durch die Luft, flog
geradewegs auf den Fahrersitz zu.
»Drauf!«
»Drauf!«
Spicer reagierte instinktiv, riß das Lenkrad herum –
handelte nach dem gleichen, kläglich sinnlosen Impuls,
mutmaßte Thomas, der einen Soldaten mitten im Kugelhagel dazu
bewog, den Arm zu heben, als könnte er damit die Geschosse
abwehren.
»Mach ihn kalt!«
»Mach ihn kalt!«
Der Anker fiel zwischen die Beine des Zweiten Offiziers. Er jaulte
auf vor Schmerz, ließ vom Lenkrad ab und faßte sich in
den Schritt.
»Drauf!«
»Drauf!«
Mit einer Geschwindigkeit von fast fünfzig Kilometer pro
Stunde prallte der Gabelstapler gegen die Mauer, die gewaltstarke
Kollision wuchtete Spicer vom Fahrersitz in die Luft, so daß er
sich überschlug. Der Hundertfünfzehnkilomann landete auf
den Füßen, hörbar zerkrachten seine Oberschenkel. Auf
die eigenen Knochen gespießt, brach er zusammen, zuckte im
Sand.
»Weisinger, Weisinger ist unser Mann! Keiner kann’s,
wenn er’s nicht kann!«
Der junge Mann vergeudete keine Zeit. Er zog den Anker vom
Fahrersitz des Gabelstaplers, lief quer durch die Arena, beugte sich
über Spicer. Sein Blick suchte die Zuschauer. Zuerst dachte
Thomas, er wollte nur den Moment des Triumphs genießen –
wo, wann und unter welchen anderen Umständen durfte sich ein
Vollmatrose schon Beifallstoben erhoffen? –, aber plötzlich
erkannte der Geistliche, daß Weisinger nach einem Zeichen
ausschaute.
In gespenstisch gleichzeitiger Gebärde streckten sich
zweiunddreißig Hände mit aufwärtsgerichteten Daumen
nach vorn.
Mit ähnlich unheimlicher Abgestimmtheit drehten sich die
zweiunddreißig Handgelenke.
Kehrten die Daumen abwärts.
»Neil, nicht«, rief Thomas, indem er aufsprang.
»Ich bin’s, Neil, Pater Thomas.«
»Tun Sie’s nicht!« schrie Miriam.
Doch Weisinger erledigte, was der Mob verlangte, nämlich
Spicer, drosch erbarmungslos mit dem Anker auf ihn ein, als
hätte er vor, sich unwiderruflich an ihm zu vertäuen.
Ein hünenhafter, barbrüstiger Matrose, der widerlich
süßlichen Whiskey-Geruch verströmte, wandte sich an
Thomas. Schwarzer Bart, unreine Haut, ein Gesicht, das der Visage des
Völlers am anderen Ende der Insel ähnelte. Thomas erinnerte
sich: ein Seemann mit Namen Stubby Barnes. Zweimal war der Mann bei
ihm im Gottesdienst gewesen. »He, Pater, Sie unterlassen mal
besser das Stören. Sie auch, Schwester.« Die Rechte des
Matrosen hielt
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