Das Gottschalk-Komplott
Zeit, daß du deine Winterstimmung beendest.“
„Tja, nun …“
„Schön, das ist also abgemacht. Und hast du was dagegen, daß ich mir die Vorführung am Nachmittag ebenfalls ansehe? Ich nehme an, Mogshack wird auch anwesend sein.“
„Nein, wird er nicht. Er wird sie sich natürlich anschauen, aber von seinem Büro aus. Und es dürfte wohl besser sein, du hältst es ebenso.“
„Aber ich möchte dieser Pythoness, da du sie so nachdrücklich empfiehlst, auch eine Frage stellen. Und wenn ich’s richtig verstehe, können Pythonessen nur auf Personen reagieren, die sich in derselben Räumlichkeit wie sie aufhalten.“
„Eine Frage? Was für eine Frage?“ Doch nicht über uns? fragten ihre Augen deutlicher als Worte. Das würdest du nicht wagen!
„Nanu, Ariadne“, rief Reedeth in spöttischem Tonfall. „Du wirst ja rot! So was habe ich ja bei dir noch nie erlebt. Dabei sieht’s richtig gut aus.“
Sie rang noch ums Zustandebringen einer passenden Antwort, da ertönte vom Personalkommunikator, den sie um ihr linkes Handgelenk geschnallt trug, ein helles, süßlich-melodisches Läuten. Unwillkürlich hob sie das Gerät an den Mund, während sie ihren Blick in Reedeths Gesicht bohrte wie einen Dolch.
,Ja?“ meldete sie sich leise.
„Ein Besucher für eine Ihrer Patientinnen, Dr. Spoelstra. Gerade mit einem Privatskimmer auf dem Dach gelandet. Kein bißchen vernünftig. Fordert eine Klasse-A-Unterbrechung des programmierten Heilplans.“
„Verflixt! Genau so etwas hat mir gerade noch gefehlt!“
Nicht ohne Bosheit stieß Reedeth ein vorsätzlich lautstarkes Kichern aus.
„Oh …! Na gut, ich komme gleich vorbei und kümmere mich darum.“ Sie schaltete das Mikrofon ab und funkelte Reedeth aus wutentflammten Augen an.
„Nein, ich wünsche nicht, daß du heute nachmittag an der Sitzung teilnimmst! Wenn du eine Pythoness konsultieren möchtest, such dir selber eine. Und zwar möglichst eine, die was taugt. Empathie ist vergeudet, wenn sie nicht beiderseits zum Tragen kommt, und ich kenne niemanden, der deine Panzerplatten durchdringen könnte!“
„Versuch’s“, gab Reedeth gelassen zur Antwort. „Du weißt, das ist alles, worum ich dich bitte. Wenn du dich fürchtest, durch eine weit offene Tür zu gehen, weil du meinst, sobald du die Schwelle überquerst, würde dir etwas auf den Kopf fallen, dann bist du’s, G’spusi, die in Schwierigkeiten steckt.“
Er machte auf dem Absatz kehrt und trat über den Rand der Kreuzung. Innerhalb eines Augenblicks hatte die FluviPiste ihn außerhalb der Hörweite befördert.
Nicht etwa, daß Ariadne die entfernteste Absicht gehegt hätte – wie sie sich beschwor, indem sie nur mit Mühe verhindern konnte, daß sie mit dem Fuß aufstampfte –, ihm irgend etwas nachzurufen. Nicht etwa, um völlige Klarheit zu schaffen, daß sie überhaupt jemals wieder mit ihm zu reden beabsichtigte.
Ich glaab, se hole mich ab, ha-ha
Die scherzhafte Paranoia jenes Schlagers aus dem vergangenen Jahrhundert war Celia Prior Flamen im Anschluß an ihre Zwangseinweisung völlig angebracht vorgekommen. Möglicherweise war sie es noch immer. Aber heute summte sie bloß noch die Melodie vor sich hin. Lautes Singen entbehrte jeglichen Sinns. Ganz gleich, wie sehr sie ihre klare, helle Stimme heben mochte, die ungezählten Isolationsschichten ihrer luxuriösen Klause absorbierten jeden Laut.
So nannte man nämlich die Einzelzellen der Ginsberg-Klinik: Klausen.
Sie war fünfunddreißig, ein Jahr jünger als ihr Ehemann und vier Jahre jünger als ihr Bruder, obwohl Lionel stets dreinsah und sich benahm – und sich anscheinend auch so fühlte –, als sei er ein ganzes Jahrzehnt älter als sie. Außerdem war sie ziemlich schön, trug eine Haube aus geschmeidigem braunen Haar, das sie trotz aller Modediktate nie gefärbt oder gemasert hatte, über einem herzförmigen Gesicht mit übergroßem, aber herrlich ausdrucksstark beweglichem Mund, und sie besaß einen schlanken, sehnigen Körper, der im einen Moment sinnliches Schmachten anzudeuten vermochte, im nächsten jedoch nervöse Spannung bezeugte, durch reine Willenskraft mühsam im Zaum gehalten.
Doch ihr Geist, wie ein zum Heilen geschaffenes und zum Töten mißbrauchtes Skalpell, war zu tief in Zonen vorgedrungen, deren Betreten nicht seiner Bestimmung entsprach.
Während er sie nachdenklich über die versteckte KommNetz-Verbindung beobachtete – die Kamera war hinterm Spiegel des Ankleidetischs verborgen, vor dem
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