Das Gottschalk-Komplott
Erfolg haben können, der ihnen zugeschrieben wird, besteht vermutlich darin, daß sie gegenüber Personen, die ihnen relativ fremd sind, einen außergewöhnlich hohen Grad von Empathie zeigen. Ich möchte herausfinden, ob das Ausmaß an »Fremdheit*, das sie bewältigen können, auch Geisteskranke einschließt. Und weil man mir versichert hat, dies Mädchen, diese Lyla Clay, wäre eine der talentiertesten Pythonessen, ist es logisch, daß ich sie für das Experiment ausgesucht habe.“
Versonnen wickelte Reedeth eine Strähne seines Vollbarts um einige Finger seiner Hand. „Auf den ersten Blick sieht das aus wie eine hervorragende Idee. Falls sie sich bewährt, könnte sie zu einer vollkommen neuen Art von Diagnosetechnik führen. Aber sind drei Tage nicht eine ziemlich kurze Frist, um ein potentiell so bedeutsames Experiment vorzubereiten?“
„Ich habe mit ihrem Mackero verhandelt, und es war nur möglich, sie für diesen Termin oder erst einen in sieben Wochen zu engagieren. Anscheinend ist sie sehr gefragt.“ Sie konnte sich eine sarkastische Anmerkung nicht verkneifen. „Ich muß sagen, es schmeichelt mir, daß du meine Idee gutheißt.“
„Oh, laß es gut sein, ja!“ schnauzte Reedeth. „Du magst damit aufgehört haben, zu versuchen, deine privaten emotionalen Verwicklungen an Verhedderungen mit deiner Arbeit zu hindern, aber ich gebe mir zumindest noch ein wenig Mühe in dieser Richtung.“ Er räumte ihr keine Gelegenheit zu einem Widerwort ein. „Und was ist Mogshacks Ansicht? Offensichtlich hat er ja letzten Endes eingewilligt, sonst hättest du das Experiment nicht einleiten dürfen, aber es wundert mich, daß er nicht schärfstens Einwände dagegen erhoben hat, eine ganze Anzahl von Patienten an einem Ort unter Bedingungen zu versammeln, die … Wie würde er sich ausgedrückt haben? Ach ja! Unter Bedingungen, die nicht nur medizinisch unhygienisch sind, sondern zudem psychologisch so riskant, daß sie viele dieser Patienten auf ihrem Wege zur Genesung schwer belasten und folglich hemmen müßten.“
„Du Lump! Du hast dich über die Unterhaltung informiert, die ich mit ihm hatte.“
„Nein, ich habe dir doch gesagt, sie ist nicht zugänglich gemacht worden. Ich … na, ich habe bloß versucht, mich genauso auszudrucken, wie er’s wahrscheinlich täte.“
Für einen langen Moment schauten sie einander an, von Angesicht zu Angesicht, um keine Armlänge getrennt. Plötzlich spürte Ariadne, wie sich ihre Mundwinkel völlig gegen ihren Willen hoben. Für eine Sekunde leistete sie Widerstand, aber dann gab sie dem Lächeln Raum. Il faul reculer pour mieux sauter, sagte sie sich und zitierte damit einen von Mogshacks liebsten Aphorismen. Man muß umkehren und einen weiteren Sprung vollführen. Und ihr nächster Sprung, das schwor sie sich, sollte sie außerhalb der Reichweite Jim Reedeths bringen.
„Ich glaube, du bist ein richtiger Schurke, Jim. Aber zugleich bist du gerissen, daran besteht kein Zweifel, psychologisch riskant’ war haargenau seine Formulierung … Mogshacks Verhalten ist manchmal ziemlich voraussehbar, nicht wahr? Aber ich nehme an, diesem Vorwurf setzt sich jeder aus, der ein Ziel mit unerschütterlicher Entschlossenheit verfolgt.“
Wieder zerschlug Reedeth ihre Erwartungen, indem er eine finstere Miene schnitt, statt ihr Lächeln zu erwidern. „Ja, gewiß, ab und zu allerdings frage ich mich, wo eigentlich Entschlossenheit in Fanatismus übergeht … Aber egal. Wenigstens hat er in dieser Sache Flexibilität bewiesen. Wie gesagt, ich halte diese Idee für recht aussichtsreich. Alles was sich dazu eignet, die morschen Brücken zwischen einer und einer anderen menschlichen Persönlichkeit zu verstärken, kann meiner Billigung sicher sein.“
„Das ist eine sehr conroyanische Äußerung, Jim“, sagte Ariadne, darüber verärgert, daß er sich geweigert hatte, ihre Geste des Zurückstehens anzuerkennen, in scharfem Ton. „Und außerdem ist das beileibe nicht der Zweck dieses Projekts.“
„Allmählich gelange ich zu der Schlußfolgerung, daß die einzige Methode, um einigen Leuten etwas begreiflich zu machen …“
Aber seine hitzig begonnene Erklärung verlor ihren Schwung; seine Stimme sank herab und verstummte. Reedeth grinste. „Ach, was soll’s. Mir ist’s lieber, dir für eine gute Idee ein Kompliment machen zu können, als mich um irgend etwas mit dir zu streiten. Ich schlage vor, wir unterhalten uns heute abend weiter, hm? Ich finde, es ist höchste
Weitere Kostenlose Bücher