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Das Gottschalk-Komplott

Das Gottschalk-Komplott

Titel: Das Gottschalk-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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sie gegenwärtig viel Zeit zubrachte und versuchte, mit dem überreichlichen Sortiment an Kosmetika, womit man sie versorgt hatte, sich neue Gesichter zu erarbeiten –, zupfte Elias Mogshack an seinem Bart. Er stak in einem Dilemma. Das war nicht das erste Mal so, und voraussichtlich nicht das letzte Mal. Aber auch nur für einen Augenblick von der überlegenen Sicherheit abzuweichen, welche die breite Allgemeinheit mit seinem Namen verband, wäre einer Beeinträchtigung der Aura von Autorität gleichgekommen, die ihm zu seinem heutigen Einfluß verholfen hatte.
    Paradox: einerseits das übermächtige Gebot ‚Sei ein Individuum!’, das er persönlich dem allgemeinen Sprachgebrauch als längst selbstverständlich gewordene, sprichwörtliche Redewendung geschenkt hatte, mit der gleichzeitigen Implikation, daß beispielsweise ein Schizophrener dem Befehl aufs Wort gehorchte; auf der anderen Seite die allzu offenkundige Tatsache, daß jemand, der zu individualistisch war, a) Mangel an Lebenstüchtigkeit zeigte, weil er womöglich das Essen vergaß, sich in Drogen vernarrte oder sonst eines der vielen Dutzend Dinge anfing, die letztendlich verhängnisvoll endeten, und b) anderen, konkurrenzfähigen Individuen exzessive Anforderungen zumutete, zum Beispiel, indem er darauf bestand, daß sie stunden- und tagelang irgendwelchen seiner universalen Einsichten zuhörten, die meistens, auf ihren Kern gesundgeschrumpft, auf irgend etwas hinausliefen, das die meisten erwachsenen Menschen schon in der Pubertät herausgefunden hatten.
    Er hatte zur Zeit so einen Fall; es gab ein Dutzend anderer Angelegenheiten, die seine Aufmerksamkeit mehr verdienten; aber irgendwie hatte er sich in der Frage Celia Prior Flamen festgefahren.
    Im Prinzip waren die Methoden sehr einfach, die die Vorstellungskraft der Öffentlichkeit so angeheizt hatten, daß er dadurch nachgerade unaufhaltsam den Posten des Direktors der Ginsberg-Klinik erlangte – natürlich nur zu bereitwillig, denn er wollte, daß soviel Unglückliche wie möglich von seinen Lehren ihren Nutzen hatten. In jeder Klause gab es Datensonden, die Informationen aus den Körperausscheidungen, den Oberflächen von Bett und Stühlen und sogar aus der Luft, welche die Patienten atmeten, registrierten und an Monitoren weiterleiteten – Parameter zur Konstruktion einer Computerkurve, die durch eine Gradeinteilung standardisierter Beispiele geistiger Erkrankungen verlief. Die Sonden erfaßten grundlose Angstzustände, endogene Streßreaktionen, jede mögliche Art der Abweichung von Normalität und Temperenz, extrapolierten sie in die Zukunft der Fallgeschichte und setzten sie um in Therapie-Empfehlungen: Medikamente, Hypnose, Analyse, alles was sich tun ließ. Um das Ziel stand es ähnlich simpel; man konnte es als Erzeugung einer Persönlichkeit definieren, die trotz des Drucks, der von anderen Angehörigen der Spezies in ihrer Umwelt ausging, in jeder Beziehung von Lebenstüchtigkeit funktionierte. Für jeden Patienten erstellte man ein ideales Persönlichkeitsprofil, eine wunderschön symmetrische Kurve, und sobald das Observationsprofil mit dem Optimum übereinstimmte, entließ man den Patienten. Alles ganz einfach.
    Nur war es in der Praxis keineswegs so einfach …
    Dieser Fall war für die Problematik exemplarisch. Nach der Theorie hätte alles vollkommen glatt ablaufen müssen. Celia Prior Flamen hatte sich – wie die Mehrheit sämtlicher Patienten in allen Psychiatrien der westlichen Welt – mit Drogen abgeholfen, um der unerträglichen Realität zu entfliehen, hatte mit relativ harmlosen Sachen wie natürlichem Peyote-Meskalin und Psilocybin angefangen, war mit der Zeit jedoch auf die stärkste aller synthetischen Drogen umgestiegen, Ladromid. Sie war vollkommen zerrüttet, während sie sich um der köstlichen Wärme zwischen ihren Beinen willen benäßte wie ein Säugling, eingeliefert worden, aller Welt entrückt.
    Und hatte auf die Behandlung gut angesprochen?
    Mogshack runzelte die Stirn. Erneut betrachtete er die beiden von seinem Pultomaten zum Vergleich projizierten Kurven: die Idealkurve grün, das Observationsprofil rot. Letztere wies eine Ausbuchtung auf, und es gab keine Therapie, um sie zu beheben. Aber aus der Gerüchteküche sickerten Andeutungen ein, daß ihr Mann demnächst wohl nicht mehr dazu in der Lage sein werde, die monatlichen Rechnungen zu bezahlen, und es schadete dem Image, einen Patienten aus finanziellen Gründen zu entlassen und ihn dann etwas

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