Das Grab der Königin
hielten sich auf den versandeten Stufen in unterschiedlicher Höhe auf, um von ihren Standorten aus die Fremde zu beobachten.
Morgana schüttelte den Kopf, schaute auf die Kugel, in der sich nichts rührte.
»Ich will die Königin!« brüllte sie. »Sie soll sich zeigen und keine anderen schicken!«
Da meldete sich eine der Geisterfrauen. Ihre Stimme klang, als würde sie aus einem Grab kommen. So hohl und gleichzeitig dumpf. »Wir sind da, um die Königin zu beschützen. Niemand darf an ihr Grab heran. Fast alle sind unwürdig, auch du!«
Morgana lachte die Geisterfrau aus. »Ja«, gab sie zu, »vielleicht bin ich in euren Augen nicht würdig, aber das stört mich nicht. Ich habe mir in den Kopf gesetzt, an die Stelle der Königin zu treten, und ich besitze den Dunklen Gral, wie ihr seht. Ich gebe euch noch eine Chance. Laßt die Königin laufen, schwört ihr die Treue ab und stellt euch auf meine Seite. Dann wird es euch gut ergehen.«
»Nein!« rief die Sprecherin. »Wir werden unseren Eid, den wir ihr gaben, niemals brechen.«
Nach diesen Worten nickten die anderen Frauen. Morganas Mund verzerrte sich zu einem bösen Halbkreis. »Ihr wollt mir tatsächlich widersprechen und in den Tod gehen?«
»Noch leben wir.«
Morgana wurde von ihrer eigenen Wut und dem Haß übermannt. »Gut!« schrie sie. »Aber nicht mehr lange.« Ihr nächster Befehl galt den Wölfen.
»Tötet sie. Töte sie alle!«
Die Bestien gehorchten.
Hatten sie bisher still gestanden und sich von dem weiten Weg erholt, so wurden sie jetzt zu rasenden, vierbeinigen Furien, die sich durch nichts aufhalten ließen.
Morgana brauchte keinen weiteren Befehl mehr zu geben. Sie stürzten sich auf die sechs Geisterfrauen, die ihnen nichts entgegensetzen konnten.
Eine jedoch hatte die Gunst der Sekunde erkannt, sich wie ein Schatten gedreht und war plötzlich verschwunden. Der Wolf, der mit weit geöffnetem Maul auf sie zusprang, erwischte sie nicht mehr. Sein Biß ging ins Leere, die Frau verschwand.
Es sah so aus, als hätte sie sich aufgelöst, und die Bestie drehte sich wütend auf der Stelle.
Morgana Layton hatte dies nicht mitbekommen. Sie war eigentlich zufrieden. Fehlte nur noch der wichtige Rest. In den folgenden Minuten würde sie es schaffen und die Königin von Saba aus ihrem verdammten Grab holen. Sie spürte, daß es nicht mehr weit war. Das Grab der Königin mußte unter dem Sand liegen, auf dem sie stand. Die Wölfe trollten sich wieder. Mit leisem Knurren nahmen sie ihre Plätze ein und warteten auf das große Ereignis.
Morgana lächelte jetzt. Sie sprach in die Stille der Nacht hinein, aber sie war sicher, daß die Königin von Saba sie hören würde. »Deine Dienerinnen sind nicht mehr. Ich habe sie vernichten können. Wenn du je gesehen hast, dann wirst du jetzt erkannt haben, welch eine Macht ich zwischen meinen Händen halte. Solange der Gral existiert, wird es auch dich geben. Aber ich sage dir, wenn du dich nicht zeigst, Königin, werde ich den Dunklen Gral vernichten…«
Diese Worte und so wie sie gesprochen waren, ließen keinen Zweifel aufkommen, wie ernst es dieser Person war, die einmal Mensch und einmal Wölfin sein konnte.
Noch wartete sie.
Sekunden verstrichen.
Mondlicht schien bleich gegen das Gesicht der Frau. In den Augen funkelte das kalte Licht der Sterne.
»Soll ich ihn zerstören!« brüllte sie. »Willst du, daß ich den Gral tatsächlich vernichte?«
Da reagierte die Königin, und Morgana Layton erlebte so etwas wie ein magisches Wunder…
***
Der Wolf biß zu!
Wir hörten kein Knirschen oder Knacken, weder ein Reißen noch ein Brechen, die Zähne der Bestie schafften es tatsächlich, den Hals der Geisterfrau mit einem Zusammenklappen der beiden Kiefernhälften zu durchtrennen. Gleichzeitig aber wallte Staub in die Höhe, und zwar dort, wo sich der Hals befunden hatte.
Für uns war er nicht mehr zu sehen. Dafür hob sich aus der Staubwolke heraus der Kopf ab. Er schien über dem Rest zu schweben, war nicht mehr verbunden mit dem Körper, der als erster zuusammensackte und sich als mehliger Rest auf dem Wüstenboden verteilte. Es folgte der Kopf. Er zerrann, und seine Züge zerliefen zu grimassenhaften Reliefs, bevor der Staub übermächtig wurde und der Kopf ebenfalls verging.
Der Wolf war zurückgesprungen. Er wollte wieder weg. Da hatte ich bereits die Beretta gezogen.
Aber auch Suko war nicht faul gewesen. Sein Schuß erwischte die Bestie. Mein Freund hatte die Wagentür aufgestoßen und
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