Das Grab der Legionen
aber durchaus üblich. - Nun verschickte sie es an die Adressaten. Mich würde ihr Motiv interessieren."
„Das Schreiben besteht nur aus Beleidigungen! Es ist gut für das Skelett, daß es rechtzeitig starb. - Was weiß ich, warum seine Alte zauderte!"
„Der Grund liegt auf der Hand, meine ich", versetzte der Schwager. „Sie wird wissen, wer den Mörder ihres Gatten bezahlte. Daß sie Rache nimmt - wer würde das nicht tun?"
„Ich habe nichts mit dem Verbrechen zu tun", sagte Scipio entrüstet. „Von Sempronias Bruder hätte ich eine derartige Beschuldigung zuallerletzt erwartet."
Gracchus zuckte die Achseln. Verwandtschaft hin und her, auch ihm war der mysteriöse Mordanschlag kein unlösbares Geheimnis. Wem nützte er? Hauptsächlich Scipios Kreaturen in Tarraco. Und war ein geübter Mörder dorthin gereist? Ja, gewiß - Cajus Menetius. So kam eines zum anderen. „Du kannst deine Entschuldigungen den Senatoren vorlegen. Ich zweifle, daß man dir so leicht glaubt."
„Meinst du ernstlich, ich werde Flaccus' Starrköpfigkeit noch nachträglich unterstützen? Das Schreiben wandert ins Archiv und mag dort verstauben. Vielleicht wird es sogar einmal versehentlich vernichtet. Kommt vor. - Eine lange Debatte über das Testament würde unserer Sache schaden."
Unserer Sache? Der Jüngere verzog die Lippen, schwieg aber. Seine Gedanken näherten sich einem Punkt, an dem dieser einstmals verehrte Mann ein Feind sein würde. „Vergessen wir mal den Brief", begann er. „Aber die aufgeworfenen Fragen verdienen Beachtung. Ein Teil klingt vernünftig, auch läßt sich die zunehmende Korruption schlecht leugnen, wieviel weniger denn das Fehlen überzeugender Siege. Und die Niederlage in Lusitanien!"
„Bei Jupiters Donner! Flaccus will den römischen Senat reformieren. Auf wessen Kosten wird das gehen? Natürlich auf unsere. Meinst du, einer aus unserer Fraktion gäbe freiwillig einen Zipfel seiner Macht preis? Im entgegengesetzten Fall täten es unsere Gegner, die Claudier und Servilier, auch nicht."
„Vielleicht Cäcilius Metellus", wandte der junge Mann ein.
„Der eventuell, zugegeben. Er ist auch so ein Idealist - will sagen: ein Trottel. Was würde aus Rom, wenn die Plebejer wirkliche Macht erhielten? Es gäbe ein Chaos."
„Eine Republik", antwortete Gracchus. „Zwar nennen wir das Römische Reich demokratisch, sind aber faktisch eine große Königsfamilie. Hast du keine Angst, daß alle die, deren Interessen wir vorgeben zu vertreten, eines Tages glauben könnten, sie selbst vermöchten es noch besser? Und daß sie uns dann als überflüssig beiseite schieben?"
„Noch haben wir das Heer. Es wirft jede Rebellion nieder."
„Du vergißt Sizilien."
Scipio lächelte böse. „In vierzehn Tagen zieht der Prätor Servilius Geminus aus. Mit zehn Manipeln auserlesener Männer wird er dem Spuk ein blutiges Ende bereiten. Ich wies ihn an, jeden dritten Gefangenen unverzüglich kreuzigen zu lassen. Danach begehrt niemand mehr auf."
„Kaum", gab Gracchus zu, doch er dachte: Diese Grausamkeit nenne ich Unsicherheit, ja Furcht. - „Und die Numantiner?" fragte er dann. „Wenn sie Pompejus ebenso schlagen wie Viriatus die transiberischen Legionen? Hältst du Verstärkungen für Tarraco bereit?" Der General maß ihn mit wütenden Blicken. Ein starkes Stück, daß du laut aussprichst, was kein Römer auch nur denken darf. Das Heer siegt immer... Servilianus' Schlappe war ein Ausrutscher, den man am besten vergißt und durch Ausrottung der Lusitanier ausmerzt. - Laut erwiderte er: „Pompejus' Sache stände schlecht, wenn sich Litennon und Viriatus vereinigten. Aber das kommt nicht in Betracht."
„Ein Glück für unsere Legionen."
„Unsere Mißerfolge verdanken wir auch der Unfähigkeit des Konsuls", fügte Scipio hastig hinzu. „Die Mauern der Stadt sind drittklassig und müßten in sechs Wochen zu erstürmen sein. Wenn es eine Festung wie Karthago wäre!"
Gracchus kannte die Bastionen der punischen Hauptstadt aus eigenem Erleben und hatte sie so großartig auch wieder nicht gefunden. Aber sein Schwager suchte wieder einmal Anerkennung. Was ihn betraf - er würde schweigen. Lobhudeleien mochten andere verteilen.
„Und die Legionen sind müde, Publius. Mich wundert nicht, daß Servilianus sie nicht wenigstens zu einem Ausbruchsversuch ermuntern konnte. Um Pompejus' Armee steht es noch ärger."
Scipio Africanus holte tief Luft. Dann prasselte ein Hagel von Vorwürfen, Beschimpfungen und Beleidigungen auf
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