Das Grab der Legionen
Hang war steil. Mehr als einmal rutschten sie aus, ehe sie die Hochebene erreichten. Unter ihnen breitete sich jetzt der vielfach gewundene grüne Streifen mit der Schlangenlinie des Durius aus - das Tal.
Kaum ein Gegensatz konnte schroffer sein: unten das Grün der Büsche und Bäume, hier oben graubraune, verbrannte Vegetation und bloßliegende Erde. In der Ferne verschwand alles in trügerischem Dunst, den Staub und erhitzte Luft bildeten. Titus kannte das von den Kämpfen des Sommers. Bereits damals hatte er über den Hitzenebel geflucht. Die Reiter sahen sich schon auf etliche Pfeilschußweiten nicht mehr.
Aus einer Bodensenke kam die Streife hervor und hielt in leichtem Galopp auf sie zu. Hastig atmend winkte ihnen der Centurio.
Plötzlich schwirrten von irgendwoher Pfeile heran. Bewaffnete sprangen aus ihren Verstecken und fielen über die zu Tode erschrockenen Legionäre her. Ehe diese auch nur ihre Schwerter gezogen hatten, stürzten mehrere getroffen nieder.
Die Reiter - ebenfalls Feinde - warfen sich auf jene, die noch Widerstand leisteten. Drei Iberer wanden dem Centurio die Waffe aus der Rechten und fesselten ihn. Andere drängten die verbliebenen Römer zum Abhang und trieben sie hinunter.
Selbstverständlich hatte die wartende Centuria den Überfall bemerkt. Die Legionäre stürmten herauf, vermochten aber nicht mehr zu verhindern, daß die Angreifer ihre Opfer durchsuchen 'und den Gefangenen auf eines der Pferde heben konnten. Aus entfernteren Verstecken holten weitere Krieger die Reittiere jener Männer, die im Hinterhalt gelauert hatten. All das dauerte nur wenige Augenblicke.
Erst als die Iberer bereits davongaloppierten, erreichten die ersten Legionäre die Hochfläche. Sie schossen Pfeile hinter den Fliehenden her. Vergeblich, diese waren bereits zu weit entfernt, niemand stürzte aus dem Sattel.
In solch einer Situation übernahm der Decurio der ersten Gruppe das Kommando über die Centuria. Er ließ die Liegenden untersuchen, ob jemand lebte oder nicht. Die Waffen wurden eingesammelt, die Wunden verbunden. Daß der Hauptmann gefangen und entführt war, lag so nahe, daß die Frage gar nicht erst gestellt zu werden brauchte.
Es gibt Arger, sobald ich das berichte, überlegte der Decurio. Der Tribun dürfte wenig Verständnis aufbringen... Bei allen Göttern! Vor Servius Alius stehen und so etwas melden...
Fünfzig oder hundert Stockschläge kann ich mir einhandeln, wenn der Oberst schlankweg sagt, ich hätte absichtlich nachlässig gehandelt. Und Titus ist Senatorensohn!
„Ich höre es gern, Eladu”, sagte Senkin aufatmend und wunderte sich sehr, weil sein jugendlicher Gesprächspartner kein fröhliches Gesicht zeigte.
„Leider ist das nicht alles. Gleichzeitig ernannte der Senat nämlich einen anderen Oberbefehlshaber. Der neue Konsul Quintus Pompejus wird im nächsten Frühjahr den Krieg weiterführen. Mein Gewährsmann schwört bei Netos, sich nicht zu irren."
„Die Götter mögen uns beistehen!" Der Altere blickte zum Himmel. Sollte der Feldzug denn kein Ende haben? Jahr für Jahr brachen die Legionen über die Grenze, verwüsteten die Dörfer und berannten das feste Numantia. Erfolglos wichen sie - um im darauffolgenden Sommer wiederzukehren. Das alles war schwer zu begreifen. Überhaupt verstand Senkin vieles nicht mehr. Nirgends fochten Arevaken und Römer Mann gegen Mann, hinterhältige Angriffe waren an die Stelle ehrlicher Schlachten getreten. Schon sein Gesprächspartner - merkwürdig war dieser Eladu in vielerlei Hinsicht. Er kannte ihn und fand ihn zugleich ganz und gar fremd. War der ein offener, aufrichtiger Iberer? Zuallerletzt.
„Du kommst wohl geradewegs aus Tarraco?" fragte Senkin gespannt.
„Hm."
Gern hätte er gewußt, wie es dieser junge Mann angestellt hatte, jene Stadt zu besuchen. Nicht, daß er selbst die Römer schätzte - aus tiefster Seele haßte er sie. Aber wie gelang es einem Arevaken, die Feinde derart hinters Licht zu führen, daß sie ihn in die gut bewachte Hauptstadt ließen?
Was wollte er überhaupt dort? Sicher, man konnte ihn danach fragen, würde aber Schweigen ernten. Jedermann wußte, daß Eladu Litennons Berater war. Dennoch, manches blieb undurchschaubar...
Schlecht hielt sich der Jüngere auf dem Pferd. Das Reiten war nicht seine Stärke. Auch darin unterscheidet er sich von den meisten Arevaken, dachte Senkin mißbilligend.
„Also nächstes Jahr von vorn", murmelte er müde. „Es ist zum Verzweifeln. Wie nur können wir
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