Das Grab der Legionen
beide Seiten.
„Pause!" wies der Anführer der Eskorte seine Männer an. Titus tat das gleiche.
Der Kurier aus Tarraco stieg ab und reckte die schmerzenden Glieder. Seit dem frühen Morgen war er unterwegs und hatte in den letzten Tagen wenig Schlaf gefunden. Schließlich lag der Sitz des Statthalters weit entfernt vom Durius.
„Die Legionen befinden sich zwei Stunden hinter uns. Bald hast du es geschafft”, sagte Flaccus zu ihm. „Nirgends Feinde, kein Arevakenschopf. Sie haben Angst vor uns."
„Ich will sie auch gar nicht sehen", versicherte der Kurier. „Beim Troß werde ich einen ganzen Tag hindurch schlafen. Zum Glück seid ihr mir entgegengekommen. Bei meinem letzten Ritt fand ich euch im Vaccäischen. Es ist wahrlich kein Vergnügen, am Durius entlang zureiten."
„Da hast du völlig recht", pflichtete Titus ihm bei. „Na, wie steht's in Tarraco?"
„Übel, ganz übel." Der Reiter verzog das Gesicht, als kaue er etwas Bitterschmeckendes. „Jetzt wird da schon gemordet wie in Rom. Einen Senator haben sie erstochen."
„Einen Senator? Bei Mars! Wen?" Mit jähem Entsetzen besann sich der junge Centurio, daß sein Vater in jener Stadt weilte.
„Den Lucius Flaccus - den Mageren, weißt du", antwortete der Kurier arglos und berichtete die wenigen Einzelheiten, die bekannt geworden waren - die Beamten der Statthalterschaft waren zum Schweigen verpflichtet worden. Bei jedem Satz wurde Titus bleicher.
„Was ist mit dir?" fragte der Reiter besorgt.
„Lucius Flaccus... ist mein... Vater!"
Betroffen schwieg der Kurier und stammelte dann: „Hätte ich das gewußt... Entschuldige!" Er schaute beiseite, machte sich bittere
Vorwürfe und wußte doch, daß nicht ihn die Schuld traf. Einem Verwandten des Toten zu begegnen war solch ein Zufall...
„Ich muß sofort nach Tarraco!" stieß Titus Flaccus hervor. „Ich werde die Mörder finden, denn ich weiß, wer ihre Hintermänner sind!"
„In spätestens drei Tagen sind wir in Ocilis", sagte ein Decurio mitfühlend. „Selbstverständlich wird man dir Urlaub geben. Doch ob das etwas nützt? Sicher sind die Täter längst verschwunden." Er schätzte den Anführer, wenngleich ihm klar war, daß Männer wie der junge Flaccus seiner Beförderung im Wege standen. Immerhin war dieser ein umgänglicher und kaum hochmütiger Offizier, der sich nicht auf seine adlige Verwandtschaft und sein Vermögen berief.
„Das ist wahr", murmelte der Centurio. „Trotzdem!"
„Wir müssen weiterreiten", sagte der Anführer der Eskorte. „Gleich nach der Mittagsstunde möchte der kommandierende Tribun die neuesten Informationen haben."
Stumm wandte sich Titus um. Die Reiter nahmen das als Zustimmung, bestiegen die Pferde und galoppierten davon.
Während die Abteilung weitermarschierte, herrschte gedrücktes Schweigen. Bald hatte die schlimme Nachricht jeden Legionär erreicht. Man brauchte keine Erklärung mehr, um das düstere Gesicht des' Offiziers zu verstehen. Dieser und jener ahnte auch, worum es bei der Andeutung ging, Titus kenne die Hintermänner. Doch niemand würde wagen, in solche Händel einzugreifen. Flaccus' Tod bewies, welche Gefahren dort lauerten.
Ungedrängt marschierten die Legionäre rascher, ihre einzige Sympathiebezeigung in dieser Situation. Daß Titus auf Eile drängte, begriff jedermann.
„Unsere Reiter sind wieder da", sagte ein Decurio. Eigentlich war diese Meldung unwichtig, aber er fühlte sich veranlaßt, den jungen Centurio aus dem stumpfen Grübeln zu reißen.
„Wo?" Titus schaute auf. Dann entdeckte er einen Berittenen. Aber der andere oben auf dem Hang - eindeutig römisch gekleidet und gerüstet - beschränkte sich auf einen kurzen Gruß und wandte sich wieder der Hochfläche zu, wodurch er sich den Blicken entzog.
„Was fällt denen ein, sich jetzt erst zu zeigen?" schimpfte Titus. „Ihren Kommandeur werde ich mir vornähmen."
„Geh nicht allein hinauf! Wer weiß, ob die Arevaken nicht einen Hinterhalt am Hang gelegt haben?"
Das ist unwahrscheinlich, dachte Titus, denn dann würden sie von beiden Seiten angegriffen, -von uns und der Reiterei. Darauf lassen sie sich gewiß nicht ein. Aber der Decurio hat mehr Kriegserfahrung als ich...
Trotzdem zögerte er nicht lange. „Fünfte Gruppe, mir nach!" rief er. „Alle anderen warten!"
Das Unternehmen sollte ihn beruhigen, wenigstens ablenken. Er wußte, es war ungerecht, wenn er seinen Zorn an den nachlässigen Reitern ausließ - und doch, er konnte einfach nicht anders.
Der
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