Das Grab der Legionen
gehen", erwiderte das Mädchen und warf den Kopf zurück, daß die schwarzen Haare flogen. „Und du sagtest selbst: Man kann immer lernen..."
Gewiß hatte er das einst verkündet - gemeint war es freilich anders. Ansporn sollte ihr das sein. Indes... Bei Netos!
„Meinethalben!" sagte er plötzlich und erhob sich. Beim Hinausgehen drehte er sich noch einmal um und setzte zu einer Erläuterung an. Dabei blieb es. Er fuhr mit der Hand durch die Luft, murmelte: „Sinnlos!" und verließ das Zimmer.
Rega lächelte. Ein bißchen stolz war sie, den Vater überredet zu haben. Außerdem wollte sie wirklich die Römer kennenlernen. Seit sie zu denken vermochte, gab es Krieg gegen die Legionen. Mal brannte er näher, manchmal jenseits der Berge im Tal des Jalu. Friede herrschte nie. Doch es war sicher zweierlei, die Fremden aus sicherer Entfernung zu betrachten oder einem dieser Eroberer Auge in Auge gegenüberzustehen. Grausam seien sie und sehr schlau, sagte man. Und angriffslustig dazu. Waren elf oder zwölf Sommer vergangen, seit ihr Bruder Maro fiel? Das war ihre erste Begegnung mit den Feinden gewesen, doch nicht die letzte.
Trotzdem wollte sie diesen Fremden kennenlernen. Was beabsichtigte Keri? Indem sie sich das fragte, ging sie zum Fenster. Der Vorhang war zurückgezogen. Windstöße bliesen die heiße, trockene Luft herein. Erst bei Anbruch der Nacht würde es frischer werden.
Das Planen liegt Keri, überlegte sie. Aber was will er? Warum gerade ein Offizier? Sehr unangenehm, daß sie es nicht zu erraten vermochte. Keri fragen - nein.
Das Mädchen zog den kleinen Spiegel aus der Gürteltasche, rieb ihn flüchtig blank und schaute hinein. Die Haare lagen gut. Das mußte auch so, sein. Rasch würde man sonst erzählen, Senkins Tochter sei nicht die Schönste. Wohl würde Keri schweigen, doch die anderen Krieger... Keris Zuneigung war sie sich sicher, ihrer eigenen zu ihm weit weniger.
Warum eigentlich? Was ist mit mir? Rega fragte sich vergeblich. Daß der Vater die gleiche Frage oftmals stellte und ebenfalls nicht zu beantworten vermochte, ahnte das Mädchen nicht.
Noch während sie die vergoldete Spange günstiger plazierte, raschelte der Türvorhang. Sich vernehmlich räuspernd, trat Keri ein. Haargenau seine Art - niemanden in Verlegenheit bringen.
„Nimm bitte Platz", sagte Rega freundlich. „Vater erwartet dich. Gleich werden sie da sein, der Römer und er."
„Ich weiß. Aber du..., du willst zuschauen?" fragte Keri. verwundert. Rasch überdachte er, ob nicht vielleicht sogar ein Vorteil darin lag, wenn sie zugegen war. Allerdings hielt es der junge Kriegerführer für besser, wenn Rega aus den Resultaten und nicht aus den Methoden auf seine Qualitäten schloß. Jetzt ließ sich freilich kaum mehr etwas ändern. Er setzte sich und schob das Schwert nach hinten. Die Waffe mitgenommen zu haben, schien ihm nun nicht mehr so zweckmäßig.
Eine Holzbank stand für den Gefangenen bereit. Senkin hatte das angeordnet - Iberer waren keine Barbaren wie die römischen Legionäre. Freilich, die Sitze der beiden Verhörenden waren mit weichen Fellen gepolstert, die Bank dagegen nicht.
Rega lehnte sich gegen das Fenster und hielt diesen Platz für den geeignetsten. Sollte sie müde werden, konnte sie sich in die Fensternische setzen.
„Willst du nicht mit mir tauschen?" fragte Keri. „Ich kann doch leichter stehen."
„Ich werde wohl kaum die ganze Zeit zuhören", versetzte Rega. „Falls es mir zuviel wird, gehe ich."
Die Schritte des Vaters näherten sich; er betrat das Zimmer und nahm enttäuscht den Abstand zwischen den beiden jungen Menschen wahr. Die Ahnung überfiel ihn, mit seinem Plan der Heirat mochte es doch nicht zum Besten stehen. Aber darüber fiel kein Wort.
Der Gefangene und ein Krieger folgten ihm. Senkin deutete auf die Bank. „Setz dich!" Der Wächter entfernte sich; es war unmöglich, daß ein Waffenloser zwei mit Dolch und Sichelschwert ausgerüstete Männer angegriffen und überwunden hätte.
Aufmerksam betrachtete Rega den Offizier. Ein junger Mann, wenig älter als sie und keineswegs ungewöhnlich aussehend. Selbstverständlich hatte man ihm den Panzer und alle Waffen genommen. Doch seine Kleidung wirkte feiner, war nicht aus grobem Leinen gefertigt wie bei einfachen Legionären. Bei Anführern mußte das wohl so sein. Dunkle Haare, ein bißchen lockig und kurz geschnitten, wie das in Roms Heeren üblich war. Düster war sein Gesicht und verschlossen, gezeichnet von zwei
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