Das Grab der Legionen
kannten - aber die Atmosphäre mußte aufgelockert werden, sollte Keris Einfall vollen Nutzen bringen. Durch eine zwanglose Unterhaltung war viel, vielleicht alles zu gewinnen.
„Er weiß es nicht." Titus lächelte verstohlen. „Das beurteilt der Feldherr. Mit seinen Stabsoffizieren steht er auf einem Hügel, um den Überblick zu behalten. Sieht er die Front wanken, gibt man Hornsignale. Die Zeichen sind vereinbart, jede Centuria hat entsprechende Befehle."
Der Römer unterbrach die Lektion, um kurz nachzudenken. Wie sollte er den Arevaken begreiflich machen, daß das tatsächlich reibungslos funktionierte? Wenn sie ihm nun nicht glaubten?
„Schlimmstenfalls schickt der Konsul Meldereiter zu den einzelnen Abteilungen. Sie überbringen besondere, unvorhergesehene Anweisungen."
Man nickte zögernd. Die Hornstöße nahmen die Iberer mit Zweifel auf; daß Boten ritten, begriff jeder. Keri hielt die Augen geschlossen und horchte aufmerksam. Er mißtraute dem Centurio und prüfte, ob das Erzählte glaubhaft klang. Nach allem, was er in manchem wohlverborgenen Versteck über die Legionen erfahren hatte, sprach Titus Flaccus die Wahrheit. An die hurtigen Kuriere konnte sich Keri gut erinnern, vielfältige Signaltöne hatte es ebenso gegeben. „Während eines Kampfes ist doch viel Geschrei. Wer hört da auf so etwas?" Einer der älteren Männer fragte, und Senkin atmete auf.
„Du hast recht, aber das Beobachten der Signale wird vorher oft geübt", erwiderte Titus. „Nach Möglichkeit sollen sich die Offiziere im Kampf zurückhalten, damit sie die Zeichen hören. Außerdem heißt es dann ja entweder ,Vorwärts!' oder ,Zurück!', nicht wahr?"
„Wie lauten diese Signale?"
„Ich werde sie euch später einmal vorführen, doch das nützt wenig. Von Zeit zu Zeit werden sie geändert, weil der Feind sie ja auch hört, aber nichts über die Pläne des Heerführers erfahren soll."
Da niemand etwas sagte, sprach der Centurio weiter. Er deutete auf das Strichbild im Sand. „Vorhin erklärte ich, daß die Legion in drei Treffen gegliedert ist - und in die Reiterei natürlich. Dazu kommen große Scharen der Hilfstruppen, die leider nicht so gut geordnet sind. - Jetzt muß ich hinzufügen, daß jedes dieser Treffen aus zwanzig Abteilungen besteht; nicht ganz zutreffend nennen wir sie Hundertschaften, Centurien. Wahrscheinlich wißt ihr, daß ich eine solche Schar befehligte."
„Ähnlich wie unsere Haufen?"
„Ja, aber in der Legion sind alle Abteilungen gleich groß. Jede ist durch eine andere ersetzbar, denn sie könnte zerschlagen oder abkommandiert werden..."
Oder sie könnte von meinen Männern in einen Hinterhalt gelockt worden sein! Keri lächelte. Dann aber wurde er ernst, das Nachzählen gab ihm zu denken. Zwanzig in jedem Treffen, und drei solche gab es... Bei Netos!
„Ich redete von einer Legion. Hier im Gebiet des Jalus und Durius..."
„Des Jalu und Duro", warf Senkin ein.
„Meinetwegen - hier also stehen zwei Legionen. Wir nennen sie das Cisiberische Heer, denn drüben hinter den westlichen Bergen kämpfen zwei weitere in Lusitanien - das Transiberische Heer. Die übrigen sind in den Provinzen der Republik verteilt, einige da, andere dort. Ich denke, daß Rom derzeit über zwanzig bis fünfundzwanzig Legionen verfügt. Das ist ein gewaltiges Heer..."
Wir haben keine Angst! dachte Keri und blickte trotzig. Uns wirst du nicht einschüchtern.
„Was die Befehlsgewalt angeht - das ist einfach”, fuhr Titus fort. „Jahr für Jahr wählt der Senat zwei Konsuln. Meist ist einer von ihnen ein Heerführer, manchmal beide. Zurzeit kommandiert einer in Iberien..."
Keri kniff die Augen zusammen und beobachtete aufmerksam, wie Titus ein Säckchen voll Metallplättchen aufschnürte. Er selbst hatte es einmal erbeutet. Seinerzeit konnte niemand etwas mit der Aussage eines gefangenen Legionärs anfangen, die Offiziere planten mit diesem Spielzeug den Sieg. Eben das sollte sich nun erweisen.
„Das ist der Konsul, dies der Legionskommandeur, der Tribun. Die drei Stäbchen sollen die Treffenführer sein. Von ihnen erhalten die Centurionen die Befehle, von jenen die Unteroffiziere. Klar, jede Weisung läuft zu dem, für den sie bestimmt ist."
„Und die Befehle werden befolgt? Alles und jedes?"
„Ja." Der Römer verzog keine Miene. „In der Legion herrscht bedingungsloser Gehorsam." Über die Methoden des Drills schwieg er sich aus. Sie behagten ihm wenig. Er wußte, daß die Arevaken keine solche Befehlsgewalt
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