Das Grab der Legionen
kannten und akzeptierten. „Übung, nichts als Übung", berichtete er zögernd. „Der Centurio muß seinen Platz innerhalb des Treffens kennen, jeder Legionär den seinen innerhalb der Abteilung. Ich selbst habe schon über zwanzig Appelle an einem einzigen Tag erlebt, nur weil die Aufstellung nicht klappte."
„Unmöglich, daß unsere Männer wochenlang oder länger üben. Wer bestellt unterdes die Felder? Wer erntet die Haine ab? Wer jagt? Wer beseitigt die Schäden an den Häusern? Wer schmiedet?" Titus schwieg. Er begriff alsbald, daß den Iberern nicht nur ausgebildete Truppen fehlten. Wie sollten sie ein Heer ernähren? Für die Legionen der Römer schufteten Legionen von Sklaven.
Senkins Frage blieb offen, denn auch die anderen in der Runde wußten keine Antwort darauf.
Am tiefsten fühlte sich Keri getroffen. War seine Idee, die Iberer römische Kriegskunst zu lehren, doch nicht so großartig? Aber auch die Arevaken mußten es lernen, die Feinde zu besiegen. „Weshalb drei Treffen?" fragte er, um das Schweigen zu brechen.
„Vorhin sagte ich schon: Zuerst kämpft die vorderste Linie. Nimm einmal an, der Feldherr gibt einen Befehl. Die Krieger des zweiten Treffens wenden sich nach links, die des dritten nach rechts. Dann marschieren sie hinter der Kampflinie zur Seite, drehen sich abermals und haben augenblicklich die Front erheblich verlängert. Sobald sie vorrücken, wird der Feind eingeschlossen. Aus dieser Klammer gibt es kein Entrinnen!"
„Die anderen könnten dasselbe tun", wehrte Senkin ab.
„Das könnten sie . .. Aber wer außer den Legionären besitzt soviel Disziplin? Es ist keine Frage des Mutes, sondern der Übersicht. Die Barbaren stürmen drauflos - geschickt manövriert die Legion, kreist sie ein, und alles ist vorbei. Nicht immer haben wir gesiegt, aber auf lange Sicht zahlt sich das aus. Rom hat noch keinen Krieg verloren!" Im Stillen hatte Titus mit Protest gerechnet oder mit Fragen, doch die Arevaken schauten gedankenvoll auf die Plättchen und Hölzer, mit deren Hilfe er soeben die Zangenbewegung vorgeführt hatte.
Was nützt unsere Todesverachtung, wenn sie uns so zu übertölpeln vermögen? grübelte Keri. Ihre Anführer sind schwächer und ängstlicher, aber vom Planen verstehen sie etwas. Bei Netos, das muß auch ich lernen! Ein großartiges Verfahren!
Senkin dachte an anderes. Ihn plagte die Sorge, daß der junge Kriegerführer in seinem Drang zu siegen vergessen könnte, was er verspielte. Übernahmen die Iberer die römische Kriegskunst - was würden sie außerdem übernehmen müssen?
„Ich hatte es ganz vergessen", sagte Senkin, als sie sich trennten. „Da war noch eine Frage... He, Keri, hörst du mir überhaupt zu?"
Der junge Kriegerführer spielte mit dem Sichelschwert. „Ich höre dir durchaus zu. Aber was meinst du zur faszinierenden Kriegskunst der Römer?"
„Sie erscheint gut, aber... Um sie nachzuahmen, müßten wir unsere Lebensweise aufgeben. Man brauchte Offiziere wie Titus Flaccus, die ihr Leben dem Krieg verschrieben haben. Sollen die Frauen allein auf die Felder gehen?"
Keri antwortete ihm nicht.
„Du schweigst, das erspart mir weitere Fragen. - Etwas anderes: Bei der Aufteilung der Beute aus Minendo gab es doch Gefangene. Warum haben wir keinen einzigen bekommen? Der Heilige Mann sorgt sich, weil wir Netos zur Feier der Tagundnachtgleiche kein gehöriges Opfer bringen können. Ein Kalb oder ein Hammel sind ein schlechter Ersatz."
„Ich weiß", erwiderte der Jüngere und schaute zu dem Römer hinüber, der verloren dastand. „Seinetwegen. - Ich habe ungern verzichtet. Aber wenn die Legionäre hier zu zweit oder zu dritt sind, besteht die Gefahr, daß sie zu fliehen versuchen. Sie haben dann eine Chance durchzukommen."
„Ich hätte mir das selbst sagen können. - Trotzdem wird der Rat dich rügen. Wer hat dich ermächtigt, im Namen Malegas zu reden?" Senkin begütigte mit einer Handbewegung den Kriegerführer. „Mit dem Heiligen Mann werde ich sprechen. Die Gottheit kann nicht wollen, daß der Burg schwerer Schaden zugefügt wird. Was die Ältesten angeht - deine Begründung wird ihnen einleuchten."
Plötzlich irrte Keris Blick ab, und er kniff die Augen zusammen. Diese nervöse Regung veranlaßte den Älteren, sich umzudrehen. Rega war zum Römer getreten und unterhielt sich mit ihm.
„Reichlich oft, daß sie mit ihm plaudert. Meinst du nicht auch?" fragte der Kriegerführer mit erzwungener Ruhe.
Du bist eifersüchtig! Senkin lächelte
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