Das Grab der Legionen
wieviel Gold und Silber dazu gehörten! Einmal präsentierte Appius Claudius die Tochter im großen Staat - sie sah wie eine Königin aus..."
Er sprach nicht weiter, aber unschwer war zu erkennen, daß ihm diese Tage vor Augen standen, die Feiern und Feste in den Villen der Adligen.
„Sie ist hübsch, nicht wahr?" fragte Rega zögernd.
„Hübsch?" Titus begriff die Frage nicht. Wie war es möglich, daß sich das Mädchen nach seinen Bekanntschaften in Rom erkundigte!
„Ja, sehr schön", antwortete er schließlich so unbeteiligt wie möglich. Das Weiterreden fiel ihm schwer. „Im letzten Brief schrieb mir mein Vater, Claudia solle zur Vestalin geweiht werden, inzwischen dürfte das geschehen sein." Der Römer sah, daß ihn die beiden verständnislos anblickten, darum fügte er hinzu: „Keine Priesterin der Göttin Vesta darf jemals heiraten. Ohne Ausnahme!"
Betreten schwiegen die Iberer. Beileibe hätte keiner seine Gedanken ausgesprochen, das gehörte sich nicht. Im Stillen aber wuchs Senkins Achtung vor Titus Flaccus. Was man auch sonst gegen die Fremden sagen konnte - der da war ein anständiger Mann, aufrichtig und wohl konsequent.
„Ich hätte nicht fragen sollen", flüsterte Rega. „Es tut mir so leid." Der Centurio verschloß seine Miene und schwieg. Wie konnte eine Arevakin die Sorgen eines Römers verstehen! Aber vielleicht tat ihr wirklich leid, eine Wunde berührt zu haben?
XII
In Malega
Unzufrieden mit sich zog Keri die Pfeile aus dem morschen Stamm. Einer der zehn Schüsse hatte das Ziel verfehlt. Knapp, aber immerhin. Im Kampf konnte ein Fehlschuß das Leben kosten. Rasch und sicher mußten die Geschosse treffen, sonst fanden die Römer Zeit zur Gegenwehr - und meist waren sie zahlreicher.
Gerade als er die Übung wiederholen wollte, rief ihn der melodische Pfiff eines jungen Kriegers. Richtig, der Römer sollte nun endlich beginnen, ihnen die Kampfweise der Legion zu erläutern.
Ohne allzu große Eile erstieg Keri den Hang. Das Tor zur Burg stand weit offen, denn nirgends befand sich ein Feind. Bei dem unsicheren Wetter würde sich kein Römer aus den eigenen Festungstoren wagen. Der junge Krieger schaute zum wolkenbedeckten Himmel. Hin und wieder nieselte es, aber wenigstens blieben die Wolkenbrüche aus.
Draußen in den Hainen und auf den Feldern arbeiteten einige Männer. Freilich befand sich der Hauptteil der Ernte längst in den Speichern: Nüsse, Beeren, Früchte, Trauben und vor allem Korn.
Ein Glück, daß dieses Jahr die Feinde weitab blieben, dachte Keri. Die Felder nahmen keinen Schaden, dem Vieh geht es gut. Bei Netos! Wie sollen auch meine Männer das Kämpfen erlernen, wenn sie ackern und aufbauen müssen? Ruhe brauchen wir.
„Nun komm schon!" rief Senkin. Der Alte schaute aus dem einzigen Fenster jenes Raumes, in dem sich gewöhnlich der Ältestenrat versammelte. Es gab keinen anderen überdachten Platz, an dem zahlreiche Arevaken ohne Enge sitzen konnten. Malega war nur eine kleine Fluchtburg. Bei besserem Wetter hätte man sich im Freien niedergelassen.
Zwölf Männer, teils jüngere, teils ältere, saßen in einem Kreis. Wie Keri verwundert feststellte, als er sich niederließ, lag Sand in der Mitte - gewöhnlicher Flußsand. Was mochte das bedeuten?
Fragend schaute Titus Flaccus in die Runde. „Kommt niemand mehr?"
„Kaum”, sagte Senkin, der gespannt auf den Römer blickte. „Fang ruhig an."
„Eine Legion... Ihr müßt wissen, auch wir kannten früher nur den Kampf auf breiter Frontlinie. Prallten die Krieger aufeinander, konnte der Feldherr nur noch auf Glück und Können der Männer vertrauen. Das mißfiel uns, darum schufen die weisen Väter im Senat die straffe Einteilung der Legionen.
Das Heer wird in drei Treffen gegliedert. Sie marschieren hintereinander auf, rechts und links wartet die Reiterei und sichert die Flanken ab."
Er nahm einen kleinen Stab und zeichnete das Schema in den feuchten Sand. Abwartend betrachteten die Männer die leichtverständliche Skizze und schwiegen.
„Sobald nun der Konsul den Angriff befiehlt", fuhr Titus fort, „stürmt zunächst das erste Treffen auf den Feind los. Das zweite und das dritte rühren sich nicht vom Fleck. Sie werden dort, wo es nötig ist, eingesetzt. Im einfachsten Fall folgen sie der ersten Linie." „Woher weiß denn ein Legionär, wo er - wie sagtest du? - nötig ist?" Nicht ohne Hintergedanken stellte Senkin diese Frage. Er glaubte zu wissen, daß die meisten im Raum wie er die Antwort
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