Das Grab der Legionen
entschieden? Ich hörte, du bist einverstanden. Ist das so?" fragte Senkin.
Titus zögerte mit der Antwort und wog noch einmal das Für und Wider ab. Lebte sein Vater noch, er würde den Entschluß getadelt haben. Aufrichtig und ehrlich war das nicht. Aber es gab keinen anderen Weg, um dessen Tod zu rächen.
„Ich werde euch beibringen, was man mich an Kriegskunst gelehrt hat", sagte er langsam und leise. „Wer aber steht dafür ein, daß ihr euer Versprechen haltet?"
„Der Rat der Ältesten hat entschieden", erwiderte Senkin, „dich danach freizulassen. Es steht dir frei, dann hierzubleiben. Niemand jagt dich fort."
„Das hat das Mädchen bereits gesagt", antwortete Titus. „Aber woher weiß ich, daß dein Versprechen wahr wird?"
Rega tat, als ginge sie das nichts an. Nur eines flüchtigen Blickes unter den Wimpern hervor bedurfte es, um zu begreifen, wie sehr Keri diese Frage ärgerte.
Der Anführer der Jungkrieger runzelte die Stirn. Offensichtlich fragte er sich auch, wie groß Regas Anteil am Gesinnungswandel des Römers war. Es ging nicht an, daß sich Mädchen in Dinge mischten, die den Männern vorbehalten blieben.
„Die Vertragstreue der Arevaken müßte euch bekannt sein", sagte er darum betont scharf. „Wann hätten wir je unser Wort gebrochen?"
„Du hast recht", murmelte Titus. „Gut, ich bin einverstanden." Er wußte, daß er seine Zusage einhalten würde. Kein Flaccus wurde zum Lügner, mochten andere Adlige noch so wenig von Ehre und Ehrlichkeit halten. Überdies wurde das Wetter immer schlechter. Eine Flucht quer durch das herbstliche Hochland war lebensgefährlich.
„Dann bist du frei. Innerhalb der Burg Malega darfst du tun, was dir beliebt. In meinem Haus wird sich auch ein Lager für dich finden", sagte Senkin.
Abermals runzelte Keri die Stirn und sah Rega mißtrauisch an. Aber er schwieg.
Das Mädchen schmunzelte und wandte sich an den Römer. „Komm mit, Titus Flaccus, oder möchtest du hier bleiben?" Sie verließ als erste den Keller. Da sie den väterlichen Haushalt führte, war einiges vorzubereiten, wenn nun noch ein Bewohner hinzukam. Im Stillen freute sie sich sogar ein bißchen. Es würde Gelegenheit geben, viel vom fremden Rom zu erfahren. Wie lebte man dort? Weshalb griffen die Römer fortwährend an? Sie würde die Fragen stellen. Ob Titus Flaccus sie beantwortete? Ehrlich war er.
„Habt ihr eine scharfe Klinge?" erkundigte sich der Centurio, als sie in den Regen hinaustraten. Er massierte das Kinn und ärgerte sich über die Bartstoppeln. „Ich muß mich rasieren."
Keri griff zum Gürtel und zog den seinerzeit erbeuteten langen Dolch heraus. „Hier, nimm! Niemand soll uns für Räuber halten."
„Danke." Titus war aufrichtig verwundert. Zuallerletzt hatte er das erwartet. Kriegsbeute war nach althergebrachter Ansicht ehrlich erworbenes Gut. „Wann soll ich mit der Unterweisung beginnen?" fragte er.
Senkin und der junge Krieger wechselten einen Blick. „Morgen. Oder auch übermorgen. Wir haben Zeit jetzt im Herbst."
„Ich wußte nicht, daß die Centurionen auch unsere Sprache beherrschen", brummte Regas Vater nachdenklich. Stillvergnügt hatte er zugesehen, wie sich der Römer von den Spuren der Kellerhaft befreite. Einiger Mühe bedurfte das schon, aber Titus hatte während des Feldzuges Erfahrungen gesammelt.
„Alle nicht", sagte Titus und steckte zufrieden den schmalen Hornkamm in die Gürteltasche zurück. „Die meisten hier lernen es. Das muß sein. Im Heer dienen Hilfstruppen aus den verschiedensten Völkern, darunter natürlich Iberer."
„Ach so."
Daß Senkin nicht weiter fragte, war dem Römer nur recht. Unmöglich, daß er von seiner Kindheit hätte sprechen können, vom großen Wunder der Seelenwanderung.
Titus hatte schon früher begriffen, daß sein zweites Ich ein Iberer gewesen war. Andernfalls wäre es ihm nicht so erstaunlich leichtgefallen, diese Sprache zu erlernen. Aber was auch immer jener Sklavenjunge 'einst darstellte - jetzt ging es um Titus Fulvius Flaccus.
Beim Donner Jupiters, wenn dieser Aufenthalt bei den Iberern nur bald vorbei wäre! Titus mußte herausfinden, was in Tarraco geschehen war, und Rache nehmen.
Scipios gekaufte Schurken hatten den Vater ermordet, daran bestand kaum ein Zweifel. Auch war es gleichgültig, wie die Werkzeuge hießen. Der Censor hatte den Befehl gegeben. Doch wie das beweisen, wie sich an ihm rächen?
Aus dem Fenster blickte Titus auf einen kleinen Zwischenhof. Niemand war dort zu sehen,
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