Das Grab des Herkules
schlechtere Alternative gewesen wäre.«
Nina musste ihm notgedrungen recht geben. »Verdammt noch mal!«, klagte sie. »Warum muss er auch ein solcher Dickschädel sein?«
Mac lachte leise auf. »Ich kenne Eddie schon lange, und das ist das Einzige an ihm, was sich nie verändert hat.«
»Wollen Sie damit sagen, es gäbe andere Dinge, die er tatsächlich würde ändern wollen?«, sagte sie bitter. Sie hatte es als rhetorische Frage gemeint, und dementsprechend erstaunt war sie, tatsächlich eine Antwort darauf zu bekommen.
»Sie würden sich wundern. In den Jahren, die ich Eddie kenne, habe ich bei ihm eine ganze Menge Veränderungen miterlebt.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Aber«, fuhr Mac fort, »wenn Sie darüber reden möchten, wäre es besser – jedenfalls für meinen Hals –, wenn Sie mir diese Balkonszene à la Romeo und Julia ersparen würden.« Er deutete auf die Tür, die zur Küche an der Rückseite des Hauses führte. »Kommen Sie runter, ich mache Ihnen etwas zu essen. Dann können wir uns über den jungen Mr. Chase unterhalten.«
Die Sonne war über London untergegangen, und die Gebäude hoben sich als Silhouetten vom langsam verblassenden Westhimmel ab. Straßenlaternen übergossen die Häuser von Belgravia mit lachsfarbenem Licht.
Das gleiche Licht fiel auch auf einen weißen Van, der gegenüber von Macs Haus hielt. Ohne die doppelte gelbe Markierung zu beachten, schaltete er die Warnblinkanlage ein, die traditionelle Vorsichtsmaßnahme jedes britischen Fahrers, der das Halteverbot missachtet.
Drei Männer saßen auf den Vordersitzen, vier Männer hinten. Alle waren jung, groß, körperlich fit und komplett schwarz gekleidet. Außerdem waren sie bewaffnet; sechs von ihnen waren unter anderem mit ultrakompakten Maschinenpistolen vom Typ Thomet MP9 ausgerüstet.
Der siebte Mann hatte keine Maschinenpistole dabei, sondern eine in gewissem Sinn noch wirkungsvollere Waffe: Auf dem Schoß balancierte er einen Laptop, der über ein Kabel mit einem unscheinbaren weißen Kasten verbunden war, der wiederum in einem Rahmen an der Seite des Vans befestigt war.
»Ich schalte jetzt ein«, sagte er.
Der Bildschirm zeigte graue und weiße Schlieren vor blutrotem Hintergrund, die sogleich schärfer wurden.
Jetzt sah man das Innere von Macs Haus.
In dem weißen Kasten befand sich eine Antenne für Radarstrahlen im Millimeterbereich, welche die Mauern des viktorianischen Hauses mühelos durchdrangen. Der Mann steuerte die Antenne mit einem kleinen Joystick, scannte die Räumlichkeiten und hielt Ausschau nach Personen …
»Ich hab sie«, sagte er zufrieden.
Nina betrachtete das Foto. »Mein Gott, ist das wirklich Eddie?«, fragte sie mit großen Augen.
»Das ist er«, bestätigte Mac. Nach dem Abendessen hatte Nina eins seiner Hemden angezogen, das ihr fast bis zu den Knien reichte, und ihre Füße steckten in Pantoffeln. Während sie darauf wartete, dass ihre Sachen trockneten, hatte er sie herumgeführt, bis sie schließlich in der Bibliothek im obersten Stock gelandet waren – allerdings diente der Raum eher der Präsentation von Erinnerungsstücken aus Macs Vergangenheit als der Aufbewahrung von Büchern. An der einen Wand hingen gerahmte Fotos aus verschiedenen Abschnitten seiner militärischen Laufbahn.
»Da hat er ja noch richtig dichtes Haar!«, staunte Nina und nahm das Bild näher in Augenschein. Obwohl Chase auf dem Foto einen militärischen Bürstenschnitt trug, war sein Haarwuchs erkennbar ausgeprägter als heute. »Wie alt war er da?«
»Das wurde vor zehn Jahren aufgenommen, also war er etwa fünfundzwanzig.« Auch Mac war abgebildet, außerdem posierten mehrere andere Männer in Wüstentarnkleidung vor der Kamera. »Ich glaube, das war in seinem dritten Jahr bei der SAS.«
Nina ging zum nächsten Foto weiter, das anscheinend in einem Restaurant oder Pub aufgenommen worden war. Eine um einen runden Tisch versammelte Gruppe von Männern prostete dem Fotografen zu, anscheinend Mac persönlich. »Oh, wow! Ist das Hugo?«
Mac betrachtete das Foto, auf dem Chase und Hugo Castille abgebildet waren, Letzterer mit einem wenig schmeichelhaften Walrossbart. »Ja, das ist er«, bestätigte er Nina. »Das Bild hab ich kurz nach unserer Rückkehr von der Nato-Operation im Balkan aufgenommen. Sie kannten ihn?«
Nina nickte. »Ein guter Mann. Aber mit einer Obsession für Obst.«
»Ja, ich erinnere mich.«
Eine andere Person auf dem Foto hatte Nina in weniger guter Erinnerung. »Oh. Und das
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