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Das Grab des Herkules

Titel: Das Grab des Herkules Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy McDermott
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er den Stoff besser zu fassen.
    Schreiend vor Wut und Angst wirbelte Nina herum und rammte dem Mann die spitze Ecke des schweren Buchs ins Gesicht.
    Trotz der trüben Beleuchtung war nicht zu übersehen, dass er blutete. Eine klaffende Wunde zog sich über Wange und Oberlippe. Er taumelte, blieb mit der Stiefelkappe an einem Bolzen hängen und fiel nach vorn – quer über die Schienen.
    Nina sprang zurück, als der Tunnel kurzzeitig von mächtigen Funken erhellt wurde. Der Mann zuckte. An den Körperstellen, mit denen er die Schienen berührte und einen Kurzschluss herstellte, stieg Rauch auf, und es knisterte bedrohlich: Nina war Zeugin, wie er bei lebendigem Leib gebraten wurde, von der elektrischen Spannung der U-Bahn verschmort.
    Sie wandte sich ab und lief weiter. Der zweite Mann kam immer näher. Sie hoffte, er würde seinen Kollegen hochheben, denn dann bekäme auch er einen tödlichen Stromschlag – doch so dumm war er nicht. Das Geräusch seiner Schritte brach kurz ab, als er über den rasch verkohlenden Leichnam hinwegsprang, dann lief er weiter, als sei nichts geschehen, und kam immer näher.
    Nina wurden zwei Dinge gleichzeitig bewusst. Beide waren ungünstig: Die Seitenwände des Tunnels waren mit roten und weißen Streifen markiert, ein Hinweis für Wartungsarbeiter, dass es hier keinen ausreichenden Abstand zwischen vorbeifahrendem Zug und Tunnelwand gab.
    Und dieser Umstand gewann auf einmal lebensgefährliche Aktualität, denn sie spürte einen Luftzug im Gesicht …
    Ein Zug kam ihr entgegen!
    Der Tunnel beschrieb eine Schleife, sodass die von Brooklyn Bridge eintreffenden Züge die Fahrtrichtung umkehren und die Rückfahrt antreten konnten. Und genau das fand im Moment statt.
    Das Scheinwerferlicht des Zuges wurde immer heller. Metall kreischte auf Metall, das Rumpeln der Räder schwoll zu einem Dröhnen an.
    Nina rannte weiter, eingekeilt zwischen zwei Gefahren. Verzweifelt hielt sie Ausschau nach einem Ausgang oder einer Nische, doch die Warnstreifen zogen sich bis zur nächsten Biegung.
    Der Lärm war fast unerträglich. Scheinwerfer flammten auf, die flache Front des Zuges gelangte in Sicht, als er um die Kurve bog, und noch immer hatte sie keine Ausweichmöglichkeit gefunden.
    Es gab nur eine Möglichkeit: Sie musste zwischen die Schienen flüchten.
    Unter den Schienen verlief ein Graben, der Wartungsarbeitern Zugang zu den verlegten Leitungen bot. Er war zwar nicht mehr als fünfzehn Zentimeter tief, doch das musste reichen.
    Das Buch vorgestreckt, hechtete Nina in den schmutzigen Graben. Der Fahrer des Zuges reagierte geschockt, als im Scheinwerferlicht eine Frau auftauchte. Funken sprühten von der Unterseite des Zuges.
    Als die Frontkupplung über Nina hinwegzischte, riss sie ihr eine Haarsträhne aus. Ihren Schrei hörte sie kaum, denn die über die Schweißnähte hinwegrumpelnden Räder dröhnten wie Hammerschläge.
    Den anderen Schrei hörte sie jedoch überdeutlich. Er brach unvermittelt ab, als das Knacken brechender Knochen ertönte. Das konnte nur eines bedeuten: Ihr Verfolger hatte sich an die Tunnelwand gedrückt und war von dem Zug erfasst worden.
    Der Fahrer löste eine Notbremsung aus.
    Nina schrie erneut und presste in dem nutzlosen Versuch, den infernalischen Lärm zu dämpfen, die Hände auf die Ohren. Wagen um Wagen fuhr kreischend über sie hinweg, die Räder sprühten Funken, die sie versengten …
    Endlich kam der Zug zum Stillstand. Stille senkte sich herab. Nina wusste nicht, ob der Fahrer den Motor abgestellt hatte oder ob sie taub geworden war. Ängstlich öffnete sie die Augen.
    Der letzte Wagen hing über ihr wie ein schwarzes Leichenhemd. Die Wagenbeleuchtung erhellte den Tunnel. Zitternd und darauf bedacht, nicht die Schienen zu berühren, kroch sie unter dem Waggon hervor. Die Wand war mit Blut bespritzt, das in einer schmierigen Spur entlang der Seitenfront verlief. Es sah aus wie ein nachlässig gezogener Pinselstrich.
    Langsam setzte ihr Gehör wieder ein, und sie nahm Geräusche wahr. Das Summen des Elektromotors, das Knacken und Ächzen des Metalls, das sich nach der Notbremsung entspannte …
    Und Stimmen.
    Der Zug versperrte dem zweiten Verfolgerpärchen den Weg, doch die beiden Männer würden nicht lange brauchen, um das Hindernis zu überwinden.
    Nina kroch seitlich an der Schiene entlang und duckte sich unter dem überhängenden Zugende hindurch. Dann richtete sie sich auf und rannte los. Vor ihr weitete sich der Tunnel, sie konnte in einiger

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