Das Grab des Herkules
Inselufer auf. Nina zog die Steuerhebel an, ließ das Boot seitlich um die Kurve herumrutschen, sodass es dem steinigen Ufer nur knapp auswich. Dahinter mündete der Kanal in einen weiteren Fluss, dem sie stromabwärts folgte. Das Speedboot setzte ihr nach, beschleunigte wieder und schloss längsseits zu ihr auf.
Der Fahrer legte eine Pistole an.
Fang wirkte benommen, hielt aber immer noch das Schwert in der Hand. Chase wusste, dass er diesen Moment nutzen musste. Wenn es ihm gelänge, ihm das Schwert aus der Hand zu treten … Entschlossen rollte Chase sich ab und sprang auf die Beine, als ein sengender Schmerz seinen Arm durchzuckte. Er biss jedoch die Zähne zusammen und sprang über die Sitzbank hinweg.
Chase setzte beim Landen jedoch so schwungvoll auf, dass das Deck unter ihm ins Schwanken geriet und sein Stiefel Fangs Hand knapp verfehlte. Er verlor das Gleichgewicht und geriet ins Taumeln.
Als Nina die Waffe bemerkte, die auf sie zielte, schwenkte sie den Sumpfgleiter heftig herum und steuerte direkt auf das Speedboot zu.
Der Fahrer kurbelte so hektisch am Steuer, um dem Zusammenstoß zu entgehen, dass er seine Pistole vergaß. Das Boot schwenkte gerade noch rechtzeitig ab.
Fang riss den Arm hoch, und die Schwertklinge durchstieß Chases Jeans und bohrte sich tief in dessen Wade. Blut spritzte.
Der Schmerz war so heftig, dass Chase beinahe ohnmächtig wurde. Stöhnend sackte er auf einer Sitzbank zusammen. Fang richtete sich triumphierend auf; sein Pferdeschwanz flatterte im Fahrtwind.
Nina blickte vom Fahrersitz entsetzt auf ihn herab.
Als Chase die Linke auf die Wunde presste, schoss eine neuerliche Schmerzwelle durch sein Bein. Er nahm nur noch verschwommen wahr, wie Fang mit einem höhnischen Grinsen abermals das Schwert hob. Die blutige Spitze tanzte wie ein Insekt vor Chases Augen, das ihm jeden Moment den tödlichen Stich versetzen würde.
Auf einmal ruckte Fangs Kopf jedoch unkontrolliert nach vorn – Nina hatte ihm ihren Stiefelabsatz gegen den Hinterkopf gerammt.
Der Chinese taumelte und gelangte dadurch in Reichweite von Chases verletztem Bein.
Mit aller Kraft trat Chase seinem Gegner gegen die Kniescheibe. Es knirschte unangenehm, und Fang taumelte mit schmerzverzerrtem Gesicht rückwärts. Nina holte mit dem Arm aus und versetzte ihm einen Schwinger ins Gesicht, der ihn noch weiter zurücktrieb …
Sein Pferdeschwanz verfing sich im Propeller.
Ehe er auch nur schreien konnte, wurde Fang von den Beinen gerissen und mit dem Kopf voran in die ungeschützten Propellerflügel gezogen. Der Sumpfgleiter zog eine Blutfahne hinter sich her, die dem Rasensprenkler eines Psychopathen alle Ehre gemacht hätte. Das Knirschen, mit dem der Schädel zerlegt wurde, war trotz des Motorenlärms deutlich zu hören. Als der kopflose Rumpf neben dem Fahrersitz aufs Deck fiel, umklammerte die zuckende Hand noch immer das Schwert.
Nina hatte keine Zeit, über den grauenhaften Anblick schockiert zu sein – sie hatte bereits andere Sorgen: Der Pilot des Speedboots wirkte zwar zunächst bestürzt über den grausamen Tod seines Bosses, überwand seinen Schock aber binnen Sekunden und legte abermals die Pistole an.
In diesem Moment wurde das Wasser jedoch ohne Vorwarnung unruhig, schlug Wellen und begann wild zu schäumen. Sie nahmen Fahrt auf und wurden immer schneller, die Stromschnellen immer gefährlicher.
»Ein Wasserfall!«, schrie Nina panisch und sah mit großen Augen nach vorn, wo der Fluss über den Rand eines großen Kessels stürzte, der das Okavangodelta durchschnitt. Der Höhenunterschied betrug zwar höchstens sieben Meter, schätzte sie, doch den Sturz würde der Sumpfgleiter keinesfalls überstehen. Wenn sie nichts unternahm, würden sie auf den Felsen in der Tiefe zerschellen.
Sie sah zu dem Speedboot hinüber. Entweder der Fahrer hatte den Wasserfall nicht gesehen, oder er war so aufgebracht, dass ihm alles egal war. Mit Vollgas hielt er auf den Sumpfgleiter zu, ohne nach links oder rechts zu sehen.
»Festhalten!«, schrie Nina und riss am Steuer, doch die beiden Boote kollidierten bereits. »O Gott!«, stöhnte sie und klammerte sich panisch an die Steuerhebel. Trotz des Schrecks gelang es ihr jedoch, die Windfahnen hinter dem Propeller umzulenken. Das Boot schwenkte herum und glitt über die Wasseroberfläche wie ein Stein über eine Eisfläche. Nina hielt den Atem an. Wenn der Platz ausreichte, würde es ihr vielleicht gelingen, das Boot in einem weiten Bogen umzulenken, bevor
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