Das Grab des Salomon
verfolgt worden waren. Es war an der Zeit, die Kirche zu betreten, sie schnurstracks zu durchqueren und durch den Hintereingang wieder zu verlassen. Falls ihn jemand beobachtete, würde er hoffentlich den Eindruck erwecken, sich noch in der Kirche aufzuhalten.
Mit Elizabeth.
Sollten die Leute doch denken, was sie wollten. Im Augenblick spielte das wirklich keine Rolle.
Sobald er den Motor abgestellt hatte, drehte Elizabeth sich ihm zu, teilweise durch den Sitzgurt behindert.
»Nate, ich habe dir jetzt genug Zeit gelassen, um über diese Sache nachzudenken. Lass uns hineingehen und dort bleiben. Bitte sag mir, dass wir nicht durch den Wald und auf einen Friedhof schleichen werden. Bitte.«
Nathan starrte durch die Windschutzscheibe. In der Dunkelheit konnte er Haydens Namen nicht mehr lesen. Nur ein verschwommener Eindruck von Buchstaben war noch zu erkennen. Er wagte nicht, Elizabeth in die Augen zu blicken. Nicht in diesem Moment. »Wenn du willst, bringe ich dich gerne nach Hause, Elizabeth. Aber ich –«
»Ich gehe auf gar keinen Fall nach Hause! Ganz besonders nicht, wenn du das durchziehen willst!« Ihre Stimme wurde sanfter, flehentlich. »Nate, lass uns reingehen und die Polizei anrufen. Ich will gar nicht behaupten, dass Tarretti mit all dem nicht irgendwie in Verbindung steht. Vielleicht hat er sogar Recht damit, dass die Gruppe deines Vaters in die Sache verstrickt ist.« Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. Unwillkürlich zuckte er zusammen, doch sie ließ ihn nicht los. »Aber Tarretti könnte auf üble Weise mit drinstecken. Hast du daran schon mal gedacht? Pastor Hayden wurde mitten im Wald aufgefunden, das hast du mir selbst erzählt. Und jetzt will ein Typ, dass du mit ihm in eine Gruft hinabsteigst?«
Ihre Argumente waren nicht von der Hand zu weisen. Aber die Bilder aus seinen Träumen, seine Vision während des Gemeinschaftsessens an jenem Sonntag ...
Was, wenn es sich um Warnungen gehandelt hatte? Wenn Gott dadurch seine Aufmerksamkeit nicht auf John Salomons Grab lenken, sondern ihm mitteilen wollte, sich davon fern zu halten?
Nathan schloss die Augen und betete darum, die Wahrheit zu erkennen. Elizabeth, die vermutlich spürte, dass sie an Boden gewonnen hatte, blieb stumm. Sie ließ die Hand auf seinem Arm und drückte ihn zärtlich.
Nathan stellte sich die Steinstatuen vor und rief sich den zweiten Traum ins Gedächtnis. Etwas Böses hatte sich genähert. Die Engel hatten unausgesprochenen Frieden geboten.
Schutz.
Lieber Gott, ich muss es wissen. Selbst, wenn ich dabei sterbe, ich muss es erfahren. Heute Nacht. Jetzt.
»Ich gehe hin, aber mir gibt sehr wohl zu denken, was du gesagt hast. Wenn du Recht hast, muss einer von uns hier bleiben. Sollte ich in einer halben Stunde nicht zurück sein, rufst du die Polizei an.«
Damit öffnete er die Wagentür und stieg aus. Sie folgte ihm den Weg hinauf zur Nebentür des Wohnbereichs. Nathan spürte ihre Wut wie einen Hitzeschwall im Rücken, als er die Tür aufsperrte und eintrat.
Er schaltete das Licht in der kleinen Diele ein, lief an der Treppe vorbei und ging weiter in die Küche, wo er kein Licht anmachte. Elizabeths Umrisse blieben dicht hinter ihm. »Schalt das Licht hier drin ein, sobald ich weg bin. Fühl dich ganz wie zu Hause«, sagte Nathan. Er trat auf sie zu und küsste sie auf die Wange. Eine innigere Geste wagte er nicht, weil er fürchtete, er könnte es sich sonst anders überlegen. »Ich bin bald zurück.«
Elizabeth hielt ihn mit beiden Händen an den Schultern fest. Sie schniefte, und erst da erkannte Nathan, dass sie weinte. »Ich komme mit, Nate. Und wenn du direkt in die Hölle marschierst, begleite ich dich auch dorthin. Bild dir bloß nichts anderes ein.«
Sie küsste ihn. Es war weder ein besonders langer Kuss, noch eine schlichte, oberflächliche Zuneigungsbezeugung, wie er sie ihr kurz davor entgegengebracht hatte. Tränen rannen ihr über die Wangen. Als sie einen Schritt zurücktrat, wischten sie sich beide die Gesichter ab.
Zwischen Schnieflauten fragte sie: »Hast du hier irgendwo eine Taschenlampe?«
»Im Besenschrank neben der Hintertür.« Mit dem Kopf deutete er hinter sich. »Glaube ich.«
»Die nehmen wir mit, wenn wir gehen. Wir lassen sie einfach ausgeschaltet, bis wir tief genug im Wald sind.« Sie stöhnte über die eigenen Worte und folgte ihm zum Schrank.
Nathan wohnte noch nicht lange genug im Haus, um den Lagerort jedes Gegenstands in- und auswendig zu kennen, aber nach einigem
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