Das Grab des Salomon
zehnten Geburtstag:
Peters Aufnahme in diesen allerheiligsten Priesterorden begann mit beiläufigen Fragen und vereinzelten Bemerkungen bei Familienzusammenkünften im Haus der Quinns in Indiana. Mit Kommentaren, die darauf abzielten, das Interesse des Jungen am Unbekannten zu schüren, an der dunkleren Seite der Welt außerhalb von Muncie. Onkel Roger war ein beeindruckender Mann, groß und beinahe gleich breit. Wenn er sprach, schien seine Stimme von irgendwo tief aus seinem Bauch zu dringen. Als er plötzlich die Wohnung kündigte, die er zwei Blocks von der Familie seines Bruders entfernt unterhielt, und sich auf den Umzug nach Chicago vorbereitete, lud er seinen zwölfjährigen Neffen dazu ein, ihn zu begleiten. Peters Eltern weigerten sich, weil sie ihn in einer Schule in der Nähe behalten wollten und Roger nicht zutrauten, streng genug mit dem Jungen zu sein. Max Quinn war ein stets besorgter Mann, der lange Stunden in der Werkzeugfabrik arbeitete und zu wenig Geld dafür nach Hause brachte. Er gab sich keinen Illusionen über die Chancen seines Sohnes hin, je ein College zu besuchen. Aber ein Highschool-Abschluss war etwas, das er ihm sehr wohl bieten konnte, zudem etwas, das er selbst nie erlangt hatte. An dem Abend, an dem Onkel Roger Muncie, Indiana für immer verließ, kam er ins Haus und führte eine geflüsterte Unterhaltung mit seinem Bruder und seiner Schwägerin. Peter wartete angespannt und mit bereits gepackten Koffern in seinem Zimmer.
Als Roger nach Peter rief und meinte, es sei an der Zeit zu gehen, saßen Max und Abby Quinn auf der Couch und sahen fern. Seine Eltern wirkten schläfrig, als Roger seinen Neffen zur Tür winkte. »Du brauchst dich nicht zu verabschieden, Peter. Deine Mutter und dein Vater sind zu sehr in die Sendung vertieft. Aber sie haben eingewilligt, dich mitkommen zu lassen.« Das Letzte, was er von seinen Eltern sah, war, wie sie langsam und in vollkommenem Einklang die Köpfe wieder dem Fernseher zudrehten. Das war Peter Quinns erster kurzer Einblick in die Macht, die sein Onkel besaß. Im Verlauf der nächsten zehn Jahre rief er Peters Eltern häufig an und log ihnen etwas über eine Schule vor, die sein Neffe nie besuchte. Bevor er auflegte, senkte er jedes Mal die Stimme zu einem Flüstern.
Peter Quinn erfuhr alles über die wahre Mission seines Onkels; seine Mission und die eines Dutzends oder vielleicht hunderter – die genaue Zahl kannten nur wenige Menschen – weiterer Jünger wie ihm, die über den Erdball verteilt dem Moloch dienten. Sie waren moderne Ammoniter, ein Verband, den kein spezieller Lebensstil einte, sondern nur der dunkle Gott, den seine Mitglieder anbeteten. Sie glichen Bluthunden, schnüffelnd, suchend, stets auf der Hut. Finanziert wurden ihre verdeckten Aktivitäten durch andere, konventionellere Mittel, unter anderem durch ein weitläufiges Drogenkartell und einige Prostitutionsringe. Quinns Geschäftszweig war vorwiegend ehrbar und umfasste lediglich Darlehenseintreibung und Geldwäsche. Fallweise Drogengeschäfte erfolgten nur in Gemeinschaftsarbeit mit den zahlreichen etablierten Vertriebskanälen in der Stadt.
Onkel Roger und seine Leute bevorzugten es, unauffällig zu bleiben. Sie harrten des Tages, an dem ihre Gegner, die den Schatz wie verängstigte Kinder hüteten, einen Fehler begingen.
Allgemein herrschte unter der weltweiten Ammoniterbewegung Einigkeit darüber, dass diese Fanatiker, zu denen sowohl Christen als auch Juden gehörten, gut organisiert und in der Lage waren, rasch und diskret miteinander zu kommunizieren. Doch Peter Quinns Leute waren geduldig. Der Schatz gehörte rechtmäßig ihnen. Um seine zahlreichen Frauen zu erfreuen, hatte der alte König Salomon höchstpersönlich gelobt, ihren Göttern zu dienen, und ihnen sogar Tempel errichtet. Die meisten dieser Götter waren schwach gewesen, bisweilen nicht mehr als billige Lehmmonumente. Der Moloch hingegen ... wer sich dem Meister verschrieb, tat es für immer . Dementsprechend hatte der König jedem Recht auf Besitz entsagt. Alles hatte dem Meister geopfert werden müssen. Unter den Schätzen jener Zeit war auch derjenige gewesen, der nun von allen am meisten begehrt wurde: die Bundeslade. Ihre bloße Gegenwart bot die Macht, jeden beliebigen Feind zu vernichten. Es gab auch andere Gründe, weshalb die Reliquie als so kostbar galt, Gründe, die in Peters Augen jedoch nicht allzu viel Berücksichtigung rechtfertigten. Sie glichen dem Echo einer abergläubischen Zeit,
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