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Das Grab des Salomon

Das Grab des Salomon

Titel: Das Grab des Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G Keohane
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wäre es von einem ungeduldigen Kind aus Ton geformt worden. Ein milchiges Auge musterte ihn kurz, dann teilte sich die untere Gesichtshälfte. Erneut umfing Nathan Müllgestank. Die Kreatur hatte das Maul geöffnet und gab ein Geräusch wie Gelächter von sich. Zwei gesprungene Zähne blitzten auf, bevor es das Maul wieder schloss, dann griff das Ding nach unten und packte etwas vor Nathan. Dabei bewegte es sich rasch und mit der Vorsicht eines Hundes, der etwas vom Teller seines Herrchens stiehlt.
    Es hatte den Schlüssel. Das Maul öffnete sich wieder; weiteres Gelächter und noch mehr fauliger Gestank drangen daraus hervor. Dann huschte es davon und geriet hinter Nathan außer Sicht.
    Nathan wirbelte auf den Knien herum und schaute wieder zur schwarzen Tür.
    »Nad ei tohi seda võtit saada!« , schrie ihm die junge Frau von ihrem Versteck aus zu.
    Die Wand um die Tür herum war unter sich windenden, kichernden Leibern verschwunden. Waren dies Dämonen? In den letzten Augenblicken hatte Nathan vergessen, dass nicht real war, was er sah. Wenn dies ein weiterer Traum war – und das war es, musste es sein –, dann passten Dämonen durchaus in dieses wiederkehrende Schema.
    »Ich will sofort aufwachen!«, brüllte er. »Ich will nichts mehr sehen!«
    Die Kreatur mit dem Schlüssel hieb und schlug auf die anderen ein und zwang sie, einen Bereich um das Schlüsselloch zu räumen.
    »Peatage nad! Nad avavad ukse!«
    »Ich verstehe nicht, was Sie sagen!« Nathan starrte an die blaue Decke und stand auf. Er unterhielt sich mit einem Albtraum! Jedenfalls hatte er nicht die geringste Ahnung, was die Frau ihm mitteilen wollte.
    Das Gelächter vor ihm schlug in Kreischen und Schreien um. Er blickte gerade noch rechtzeitig hin, um zu sehen, wie die Tür nach innen aufschwang.
    Was danach geschah, ereignete sich binnen Sekunden.
    Im einen Augenblick brannte sich ihm jede Einzelheit ein, im nächsten hatte er sie vergessen.
    Jenseits der Tür befand sich Schönheit über Schönheit über Schönheit ...
    Nathan schrie auf. Es war zu viel. Das durch die Tür gleißende Licht erfasste alles, trieb die Kreaturen zurück, die sich in die Mitte des Raumes kauerten. Hinter Nathan bewegte sich etwas, aber seine Augen starrten wie gebannt auf die Welt jenseits der Tür. Kein einziges Detail davon ließ sich erfassen. Ein flüchtiger Eindruck von Bäumen, die sogleich wieder verschwanden; Hügel, die sich endlos erstreckten, ohne erkennbaren Horizont – auch sie verpufften binnen eines Lidschlags; Farben, Gestalten, doppelt so groß wie Nathan. Er versuchte, sich darauf zu konzentrieren.
    Die Gestalten standen in Zweier- und Dreierreihen, so weit das Auge reichte. Mit langen, wallenden Haaren verschwanden sie ... und tauchten wieder auf ... Frauen, Männer, kahle Schädel mit Bärten, nackt, bekleidet ... mit Schwingen? Nein ... doch. Wut ging von ihnen aus, und Liebe; sie trugen Schwerter, die mit einer weißen Flamme loderten.
    Zu viel. Weitere Geräusche ertönten hinter ihm. Noch mehr Dämonen strömten herbei und füllten den Raum um ihn herum. Nathan zwang sich, den Blick von der Tür zu lösen. Die Wand hinter ihm war verschwunden. Ein langer, schattiger Gang erstreckte sich über die Tür hinaus in die Ewigkeit, doch in dieser Richtung herrschte nur Schwärze. Die Leiber tausender und abertausender Kreaturen rasten die Wände und die Decke entlang auf ihn zu, umwuselten ihn, verpesteten den Raum mit ihrem Gestank. Zu viele, sie konnten nicht –
    Nathan schaute zurück zur Tür. Die Heerscharen der Ungetüme strömten hindurch, besudelten das Licht dahinter. Die groß gewachsenen Männer, Frauen, Engel fielen über die Kreaturen her, vernichteten sie unerbittlich. Aber hinter Nathan strömten immer mehr herbei. Mehr und mehr. Jenseits der Tür tobte ein Krieg, den das Universum nicht mehr erlebt hatte, seit –
    Nathan schlug die Augen auf.
    Eine Windschutzscheibe.
    Ein Schild mit der Aufschrift »Pastor Hayden«.
    Er befand sich in seinem Auto ... und starrte auf die Kirche und das Schild.
    Ein Schluchzen stieg ihm in die Brust. Nathan fasste sich ins Gesicht und berührte vor Tränen nasse Wangen. Am liebsten wäre er aus dem Auto gesprungen und weggerannt. Sein Herz raste.
    Der Motor tuckerte im Leerlauf, das Radio spielte ein Lied.
    Seine Hand zitterte, als er sie ausstreckte und das Radio ausschaltete.
    Kurz flammten Einzelheiten des blauen Raums und des Universums jenseits der Tür vollkommen klar in seiner Erinnerung

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